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Vientiane, Mittwoch den
19. Januar 2000

Seit gestern steht mein neues Stehpult auf der Terrasse. Ein ganz neues Schreibgefühl. Haben die Geistlichen nicht die wertvollen Bücher so kopiert? Ich stelle es mir so vor, auch ich kopiere mein Leben und schreibe Bruchstücke in mein Tagebuch.
Von hier aus kann ich in den schwarzen Himmel sehen, die Sterne verborgen, hinter den Mangobäumen, Kokospalmen, dem riesigen Bambus, dem Hibiskus mit seinen zwei Blüten und dem Baum mit den grünen Früchten, ich glaube er ist ein Verwandter der Grapefruit. Die Geräusche des Dorfes sind eine lebendige Kulisse. Die gleichmäßige Unterhaltung von Kai Kham und einem Freund, der ihn besuchte, beide sitzen vor dem Tor. Die Mopeds die vorbei fahren und ganz selten, auch ein Auto. Die Frauenstimmen vor Kamhus Laden, deren Stimme ich deutlich heraus höre, sie ist etwas dunkler als die der anderen Frauen.
Kamhu ist eine der wenigen Laotinnen, die ihr langes schwarzes Haar, in kleinen Locken trägt. Manchmal treffen wir uns in der Stadt zufällig, wenn eine ihrer Freundinnen ihr ein Moped leiht.
Ein liebeshungriger Kater singt sein Lied im Nachbargarten, in dem ein unbewohntes Holzhaus, ganz langsam zusammenfällt.
Von diesem Grundstück aus, sind vor mehr als 2 Jahren, 3 oder 4 Männer gekommen und haben 2 Mopeds geklaut. Sunpan schlief, in dieser Nacht, zufällig bei mir. Es war eine von diesen besonders heißen Nächten, meine Klimaanlage war an, die Fenster geschlossen.
Es dauerte eine Weile, bis ich mir wieder ein neues Moped kaufen konnte. In dieser Zeit fuhr ich viel mit dem Tuc-Tuc und schon bald traf ich Fahrer, die schon wußten wo ich wohne. Noch heute erkennen mich Drei oder Vier und wir lächeln uns erkennend zu.

Auf dem Stehpult liegen ganz besondere Schätze: Bücher aus Deutschland, die meine Schwestern mir mitgebracht haben. Monika habe ich gestern schon wieder über die Grenze gebracht.
Es ist verwirrend für sie gewesen, daß am anderen Ufer des Mekongs, ein anderes Land liegt. Besonders jetzt, da der Mekong in Vientiane auf seine Trockenzeit-Größe geschrumpft ist.
Fast hätte ich dieses Gefühl vergessen.
 

Vientiane, Donnerstag den
20. Januar 2000

15 Minuten bin ich jetzt durch die Nacht gefahren um in das DED Büro zu kommen. Mein Computer funktioniert schon wieder nicht einwandfrei. Diesmal liegt es aber nicht am Server. Ich habe ein neues Program installiert und nun ist im System irgendwo ein Knoten. Nichts funktioniert im Moment. Mein laotisches Tagebuch soll aber weiter gehen und so kam ich auf die rettende Ideen ins Office zu fahren. Leider piepst hier nun der Stabilisator, ein nervtoetendes Geraeusch. Es bohrt sich mir in den Kopf und ich kann mich nur mit Muehe konzentrieren. Das es hier keine Deutsche Tastatur gibt und somit kein ü, oder ä usw., da kann ich ja mit Leben, aber bei diesem Piepen faellt mir leider nichts ein, langsam macht es mich auch wuetend. Wenn ich den Stabilisator aus mache, dann geht auch der Computer aus.
Ich fuerchte ich werde dieses Geraeusch noch im Bett hoeren, so wie mir manchmal das Besetzzeichen noch lange im Ohr liegt.
Ich hoffe ich bin inzwischen Online. Ich arbeite nicht gerne an fremden Computern.
Wie bloed ich man manchmal doch ist, ich gebes ja zu, der Stabilisator war nicht eingesteckt, deshalb hat er gepiepst. Jetzt kann ich das Office in aller Ruhe geniessen, nur das Klappern der Tasten ist noch zu hoeren. Von der Strasse hoere ich Autos und Mopeds, hier ist deutlich mehr Verkehr als an meinem Haus.
Gerade bin ich im Net. Ich schicke besser gleich meinen Tagbucheintrag ab, irgendwie verfolgt mich zur Zeit das Gefuehle es koennte was abstuerzen, ich weiss auch nicht woher das kommt .....
 

Vientiane, Samstag den
22.  Januar 2000

Wieder einmal arbeitet mein Computer, so wie er es soll und ich hoffe das bleibt noch lange so.
Mein Stehpult ist ein wunderbares Möbel, schon hat der Schreiner den Auftrag ein Zweites zu bauen, für eine Freundin. Auch in der Regenzeit werde ich darauf arbeiten könnnen, nur wenn der Wind den feinen Regennebel bis unter das Dach der Terrasse trägt, werde ich ins heiße Innere, des Hauses ziehen müssen.
Die Regenzeit beginnt rechtzeitig mit dem Raketenfest in Bahn Hong Suphab. Jedes, meiner drei Jahre, die ich nun in Laos lebe war es so. Diesmal ist das Fest um den 18. Mai. Im letzten Jahr brannte am ersten Tag des Regens, die große Neonröhre über der kleinen Lehmstraße und es war schön in ihrem Lichtstreifen, dem ersten grossen Regen zuzusehen.
Bis dahin dauert es aber eine ganze Weile und noch ist es kühl, und ich bin die Trockenzeit noch nicht Leid. Die erdbraunen Bäume und Bananen, an den Straßenrändern, gehen mir noch nicht ans Gemüt. Ein ähnliches Gefühl kommt in Deutschland im November, oder noch später, auf, dann wenn man das Grau so satt hat. Nun hier ist es das Braun.
Der Himmel ist etwas verhangen, so das die rot untergehende Sonne als breiter Streifen noch über den Bäumen schwebt, in tiefem Orange. Bei mir ist nun 17 Uhr 54.

Heute abend ist eine Party, meine Schwester Andrea hat großes Glück, dass sich gerade die Partys überschlagen. Mir wird ein bisschen Bang, sie bekommt ein ganz falsches Bild von meinem Leben. Das Wort Kolonialzeit, fiel auch schon ab und an.
 

Vientiane, Donnerstag den
27.  Januar 2000

Mit meiner Schwester Andrea besuche ich nun alle Wats wieder in Vientiane. Das Alltägliche wird wieder zum Besonderen und wieder erstaunt mich die Größe der Buddhastatue im Sim, dem heiligen Schrein, in dem gebetet wird und die kahlrasierten, meist jungen Novizen, in die mönchische Gemeinde aufgenommen werden. Dort wird das weisse Gewand mit dem orange-farbenen Gewand getauscht. Manche bleiben ein, zwei Jahre, manche 10 oder 14 Tage. Wenige bleiben für immer.
Vor drei Jahren als ich in Bahn Hong Suphab wohnte, dem selben Dorf, aus dem Sunpan jeden Morgen kommt, fuhr ich wie sie mit dem Fahrrad, die 12 Kilometer nach Vientiane.
Jedes Mal kam ich an einem Wat vorbei und genauso regelmäßig nahm ich mir vor, dieses Wat einmal genau zu betrachten. Die Straße steigt etwas an, ohne Gangschaltung und bei 40° Grad, merkte ich diesen Anstieg jedes Mal. Auf dem Weg nach Vientiane, hatte ich mich hoch gearbeitet und genoss den Fahrtwind der Abfahrt, die Kühlung war mir jedes Mal so willkommen, daß ich nie anhielt, um in das Wat zu gehen.
Auf dem Rückweg quälte ich mich keuchend, am Wat vorbei, die Straße hinauf, kaum einen Blick für die Schönheit des Sims, mit seinen silbrig glitzernden Dachgiebeln.
Andreas Besuch, ist eine gute Gelegenheit, dieses Wat endlich zu besuchen.
 

Vientiane, Freitag den
28.  Januar 2000

Seit meine Nichte hier zu Besuch ist, verschwand zuerst die rot braune Katze und kam nach drei Tagen wieder. Aber unser Kater hat seitdem auch einen Namen, er heißt jetzt Tobi. Der schwarze Kater ist immer noch sehr scheu und ihn herumzutragen ist unmöglich. Seit 4 Tagen ist der Schwarze nun weg. Ich glaube wenn Joelle und Andrea abgereist sind, dann wird er wieder im Garten auftauchen.
Die Mangobäume blühen jetzt in der ganzen Stadt, aber auch in meinem Garten. Wenn die Blüten ein Versprechen auf künftige Früchte sind, dann werde ich in diesem Jahr wieder sehr viele Mangos haben. So unscheinbar die Blüte und die grüne Frucht, so köstlich ist das gelb orange Innere. Ich freue mich schon wieder darauf. Im Mai wird es soweit sein.

Heute bin ich wieder nach Thailand gefahren. Im Robinson Kaufhaus, ging das gesamte Licht aus, als ich gerade Turnschuhe kaufen wollte. Der Verkäufer neben mir lachte. Es war eine Weile so dunkel, daß ich nicht meine Hand vor den Augen sehen konnte. Alles blieb gelassen und nach etwa 4 Minuten ging die Notbeleuchtung an. Die schwache Beleuchtung reichte jedoch nicht, um meine Schuhgröße im Lager zu suchen. Eine Taschenlampe gab es nicht. „So oft wird auch nicht Stromausfall sein.“, dachte ich mir.
In Vientiane kommt das in der Regenzeit, fast jeden Abend einmal vor. Da ist es wichtig zu wissen, wo man in der Dunkelheit, die vollkommen ist, Kerzen und Feuerzeug finden kann.
Meist ist der Strom aber so schnell wieder da, daß ich nicht einmal das Buch aus der Hand lege, in dem ich lese.

Heute abend ist Seng Nachtwächter. Jetzt weiß ich nicht, ob Kai Kham morgen mit uns zum Wasserfall fährt oder nicht. Dort muss es auch ein kleines Wat geben. Im Reiseführer steht, daß dort ein Einsiedlermönch lebt. Es ist sehr schwer zu finden. Ich glaube ohne Kai Kham werde ich es nicht finden.
 

Vientiane, Samstag den
29.  Januar 2000

Andrea und Joelle schlafen schon. Auch Kai Kham ist in sein Bett gegangen. Die Luft ist heute Abend sehr feucht. Auf meinem Stehpult lag die kleine Stoffmaus von Joelle; ganz klamm war sie schon, vor Feuchtigkeit. Ein starker Wind geht und ich stelle mir vor, daß die paar Zikaden im Rasen sich warm zirpen.
Heute morgen beim Frühstück, las ich in der Vientiane Times, daß im Kulturpark traditioneller Tanz zu sehen sei. Andrea will schon seit Tagen diese Tänze sehen und so fuhren wir hin.
Die Tänze werden dann aber doch erst am Sonntag statt finden.
So fuhren wir am Abend in das Restaurant, wo die Tänze Abend für Abend gezeigt werden. Ich sehe den Kostümen schon an, daß sie nicht mehr stimmen. Die alten Instrumenet, haben mich aber auch diesmal wieder davon getragen.
Die Musik erzählt noch deutlich von ihrem Ursprung.
 

Vientiane, Mittwoch den
2. Februar 2000

Der schmale Weg führt durch eine Kokusplantage. Die Palmen sind schon sehr hoch. Grün fällt der Schatten auf die Fischponds. Dazwischen wachsen Bananen, die größer sind als Andrea und ich. Selbst die Luft riecht grün, eine Oase der Stille, nur die Zikaden singen ihr ewiges Lied.
In einem Fischpond steht ein junger Mann, bis zur Taille im Wasser. Mit geübtem Schwung wirft er sein Netz aus. Einen Moment schwebt es in der Luft, dann verschwindet es kreisrund im Wasser. Wir bleiben stehen und schauen zu, der junge Mann lacht uns an. Ich frage ihn, ob er schon etwas gefangen hat. Nein, noch nicht. Auch diesmal ist das Netz wieder leer. Sorgfältig rafft er das Netz wieder zusammen, die kleinen Bleiringe klirren und schon breitet es sich wieder aus, im Flug.
Diesmal sind ein paar kleine Fische im Netz, behutsam werden sie von flinken Fingern aus dem Netz gezupft.
Andrea und ich gehen weiter. Wir wollen zum Wat. Fotos in der Abendsonne.
Es ist ein sehr ruhiges friedliches Licht. Der goldene Buddha, mit einem sanften Lächeln, daß in diesem Licht noch ruhiger, noch friedfertiger wirkt.
Ein Novize kommt, um mit mir zu reden. Sein Englisch ist schon recht gut. Die Aussprache ungewöhnlich klar. Er heißt Novize Ban Di, so stellt er sich vor. Seit einem Jahr ist er in Vientiane. Er kommt aus der Provinz Luang Prabang, seit einem Jahr hat er seine Familie nicht mehr gesehen. Er träumt davon, im nächsten Jahr in Thailand weiter studieren zu können.
Drei Monate lang, hatte er Unterricht bei einem Australier, daß erklärt die gute Aussprache. Leider haben die meisten laotischen Englischlehrer auch ihre eigene Aussprache, an die ich mich inzwischen gewöhnt habe.
Novize Ban Di, hat viel Zeit, seine Studien voran zu treiben und es ist nicht selten, daß man von Novizen angesprochen wird. Ihnen ist klar, daß man eine Sprache lernt, in dem man sie spricht.
Novize Ban Di ist sehr aufgeschlossen und auf eine angenehme Weise neugierig. Es macht mir Freude mit ihm zu reden. Aufmerksam verfolgen zwei Novizen unser Gespräch. Sie lächeln, wenn sie ganze Sätze unserer Unterhaltung verstehen können.
Novize Ban Di ist 17 Jahre jung. Solange seine Studien andauern werden, wird er im Wat bleiben. Mit 24 kann er Mönch werden, aber ich glaube, daß ist nicht sein Weg.
Er sagt mir noch, daß er immer, ab 5 Uhr abends, im Wat Nak Neu zu finden ist.
 

Vientiane, Montag den
7. Februar 2000

Kai Kham hat Besuch, vor dem Tor ist sein Freund Päd. Mit Päd ist er letzten Freitag tierisch abgeschmiert. Auf dem Weg zur Arbeit traf er Päd, der mit Freunden die Operation seines Sohnes feierte. Der Kleine wurde mit einer Hasenscharte geboren. 10 Monate ist er jetzt alt. Die Operation verlief gut und Päd war sehr glücklich. Klar das Kai Kham da bleiben mußte. Viel Bier Lao ist geflossen und ebenso der selbstgebrannte Reisschnaps, Lao Lao. Als Kai Kham hier ankam, war er angetrunken, aber schon bald fragte ich mich, wie er es überhaupt noch geschafft hat Fahrrad zu fahren. Ich habe ihn beinahe wie ein Kind ins Bett gebracht.
Jedes Jahr kommen Ärzte aus Amerika und arbeiten für 2 Wochen ohne Honorar. Sie führen eine einzige Operation durch, die Korrektur der Hasenscharte. Viele Kinder bekommen so eine leichtere Zukunft.
Dieses Hilfsprogramm beinhaltet auch, die Schulung einheimischer Ärzte.
Päds Sohn wurde von einem laotischen Arzt operiert.

Der Fall einer jungen Frau wäre beinahe nicht so gut ausgegangen. Sie wollte nicht mehr weiterleben und hat ein Pflanzenschutzmittel getrunken. Zum Glück wurde sie gehört, als sie in den Reisfeldern ihrer Eltern vor Schmerzen schrie. An diesem Abend hatte ihr Vater zufällig das Projektauto zu Hause. Jenes Auto, daß meist den Start verweigert, doch an diesem Abend, glücklicherweise nicht.
Mehrere Tage lag sie im Krankenhaus in Vientiane, ihr Zustand stabilisierte sich zwar, aber es trat keine Verbesserung ein. Ihre Eltern beschlossen sie über die Grenze zu bringen, in ein thailändisches Krankenhaus. Dort stellte man fest, daß sie innerlich schon sehr verätzt war und die Behandlung in Vientiane, nicht die richtige war. Die Ärzte dort meinten, daß sie einen Tag später, gestorben wäre.
 

Vientiane, Mittwoch den
9. Februar 2000

Als ich Marcel heute bei Nin abholte, sagte die Frau des Präsidenten „Sok di, bpi mei“, zu mir. Das bedeutet soviel wie, ein frohes neues Jahr. Da sie mir jedoch erst vor kurzem ein Neues Jahr gewünscht hatte, wunderte ich mich. Ich war mir sicher, daß sie das nicht vergessen hat.
Erst jetzt 2 Stunden später wird mir klar, daß sie das Chinesische Neujahrsfest meinte, daß gerade gestern erst zu Ende gegangen ist. Die Feierlichkeiten dauerten 3 Tage, waren aber, außer im chinesischen Viertel, kaum zu spüren. Im April wird dann das laotische Neujahrsfest sein, dann beginnt das Jahr 2544.
Dann ist es an mir: „Sok di, bpi mei.“ zu sagen.

Der Drachentanz, auf dem Gelände der chinesischen Botschaft, weckte mich am Sonntag in aller Frühe, mit seinem Glöckchengeklingel. Es dauerte eine Weile bis ich entschieden hatte ob ich mich darüber freuen, oder ärgern sollte.
In meinem Haus hat früher der 1. Sekretär, der chinesischen Botschaft gewohnt. Die Türe, durch die er jeden Morgen das Gelände der chinesischen Botschaft betrat, wurde zugemauert, als ich einzog. Manchmal sitze ich auf den Stufen davor, einfach weil es ein so friedlicher Platz ist. Bis hierhin kommt Kamla nicht, um die Blätter aufzukehren und der stattliche Litchibaum spendet einen dämmrig, grünen Schatten. Manchmal sitze ich auch in der Nacht dort, und schaue zu den Sternen hinauf. Sehe den Mond an und stelle mir vor, das in diesen Augenblicken einer meiner Freunde, in Deutschland, daß Gleiche tut und ich sende einen  stummen Gruß.
Oft kommt mir dabei auch ein Gedicht in den Sinn. Es ist von Klaus Kühl, der auch viele Jahre im Ausland lebte:
Träume

Manchmal möchte ich die Wolken durchstoßen,
Die Meere überqueren, Flüsse und Steppen überwinden,
Um bei meinen Freunden zu sein.

Manchmal schmerzt mein Herz vor ungeweinten Tränen
Vor unerlöstem Lachen. Weinen und Sehnen ermatten.
Ich fühle mich plötzlich allein.

Manchmal möchte ich mit dem Regenbogen
die Ferne verbinden
Mit dem Regen auf die Blüten der Gärten
meiner Freunde fallen,
Und sie müßten wissen: das bin ich!

Manchmal möchte ich im erträumten
Paradies Hütten bauen,
Nur vertraute Freunde um mich,
liebend und geliebt zu werden
Und geborgen sein, in göttlicher Güte.
 

Wenn ich dann hinter dem Haus, auf der vermoosten Treppe sitze und um mich herum ist es schon lange dunkel, nur über mir leuchten Sterne und Mond, dann weiß ich genau, wie sich das anfühlt, daß einen solche Zeilen schreiben läßt, manchmal ...
 

Vientiane, Mittwoch den
16. Februar 2000

Die beiden Jungs, aus dem Dorf, haben mich heute wieder einmal besucht. Sisuk und sein Freund Ahm. Sisuk hat seine anfängliche Scheu abgelegt und ist jetzt nur noch sehr wohl erzogen. Still lächel ich in mich hinein, wenn er so überaus höflich ist. Die beiden haben mir grüne Kokusnüsse gebracht, die sie auf dem Nachbargrundstück stibizt haben. Aus der Küche gab ich ihnen das größte Messer, daß ich besitze und bat sie, nur zu meiner eigenen Beruhigung, sich nicht damit ins Bein zu hauen. Ich habe hier schon Dreijährige, unbeaufsichtigt mit den großen Messern spielen sehen, mit denen die Eltern die Äste fürs Feuerholz, von den Bäumen hacken.
Am Anfang machte ich noch die Eltern darauf aufmerksam, aber die lachten nur. Schon früh lernen die Kinder den Umgang mit dem Messer und selbst das Moped fahren. Sie sitzen vor dem Vater, oder der Mutter und halten sich am Lenker fest. Sie besitzen den Gleichgewichtssinn kleiner Affen, jede Bewegung ist sicher.
Sisuk und Ahm haben die Kokusnüsse hinter dem Haus aufgehackt und zusammen genossen wir das köstliche Wasser, der Kokusnuß.

Kai Kham hat nun Urlaub. Heute morgen war ich bei ihm. Er saß mit einem Freund auf dem festgestampften Boden, der hart wie Beton ist. Sein Freund hielt einen Hahn im Arm und Kai Kham klebte dem Hahn neue Federn in die Flügel. Letzte Woche hat er diesen Hahn bei Verwandten abgeholt, die 50 Kilometer von Vientiane leben. Er, der so gut wie niemals, mit dem Bus fährt.
Kai Kham möchte am Samstag sehen wie der Hahn kämpft, wenn er gut kämpft, dann will er ihn mit einer „Frau“ zusammen tun.
An jedem seiner Flügel waren Federn abgehackt. Zwischen den beiden Männern lagen Entenfedern, die Kai Kham einer seiner Enten ausgerissen hat. Eine Spritze mit gelbem Klebstoff. Die Kiele der Entenfedern, wurden mit einem Messer aufgerauht und ganz gewissenhaft, an die Stümpfe des Hahnes geklebt. Immer wenn eine neue Feder angeklebt war, pusteten die Beiden die Klebestelle trocken.
Es versteht sich von selbst, das jede einzelne Feder sehr bedacht ausgesucht wurde. Viele wurden verworfen und nur wenige bekamen die Ehre nun Hahnenfedern werden zu dürfen. Alles ging sehr schweigsam ab, selbst der Hahn blieb erstaunlich ruhig, er blinzelte nicht einmal.
Nach 30 Minuten war die Prozedur beendet, selbst die eine Feder, die am Schweif fehlte, war ersetzt worden.
Der Hahn wurde unter seinen kuppelförmigen Korb gebracht und breitete die Flügel aus, schüttelt sie und faltete sie wieder zusammen. Auch er schien zufrieden.
Am Samstag wird sich zeigen, ob er zu einer von Kai Khams Hennen darf.
 

Vientiane, Montag den
21.  Februar 2000

Übergangslos ist es heiß geworden. Der Deckenventilator dreht sich und die Fotos an der Pinwand, heben und senken sich. Ich weiß gar nicht weshalb Leslie es vorzieht, hier bei mir zu liegen und nicht draußen auf der Terrasse. Jetzt weiß ich wieder, daß ich eigentlich nie ein Thermometer brauchte, so genau will ich das jetzt gar nicht wissen. Im Dezember war es anders, da war es kalt.
Gestern und vorgestern Nacht hat es geregnet. Die Laoten nennen diesen Regen Mangoregen.
Ich stand mitten im Regen und genoß die Abkühlung.
Pan kommt jetzt immer mit dem Moped ihrer Schwester, zur Arbeit. Das erste Mal in diesen 3 Jahren. Ich bin froh das sie ihr Fahrrad tauschen konnte.
Jeden Tag muß der Garten nun gewässert werden, bis Mitte Mai. Dann beginnt die Regenzeit. Hier habe ich gelernt in fünf Minuten zu duschen. Auch Freunde die mit dem Moped kommen, gehen erst einmal duschen. Gastfreundschaft. Freundschaft auf Zeit. In diesem Jahr werden viele gehen, die mir lieb geworden sind. Manchmal spüre ich schon eine gewisse Müdigkeit, auf neue Menschen zuzugehen. Nur wenige bleiben über drei Jahre, nach oben wird es immer dünner.
Viele Kontakte bleiben oberflächlich. Man ist hier für begrenzte Zeit zusammen. Alles hat einen Anfang und ein berechenbares Ende. Die Freundschaften in Deutschland, sind wie Wurzeln. Lange Briefe gehen hin und her. Nach 3 Jahren ist eine Müdigkeit auch hier zu spüren. Die Briefe werden kürzer und die Abstände länger.
Man kommt nicht mehr so recht weiter, aber wenn man sich dann wieder sehen kann, endlich wieder in den Arm nehmen kann, dann ist es, als hätte es diese Pausen nie gegeben.
Schön ist es, wenn sich Freunde ankündigen, dann sitzen sie manchmal schon auf einer Fahrt in die Stadt hinter mir, auf dem Moped und ich freue mich, ihnen alles  zeigen zu können.
Keiner meiner Freunde war zuvor in Asien und sie kommen um mich zu sehen.
Wenn sie dann wieder im Flugzeug sitzen, daß Gefühl, zurück zu bleiben, sitzt dann eine Weile hinter mir. Aber bald schon, haben mich die Pflichten wieder und ich arbeite, wie sie es tun werden, nach den zwei oder drei Tagen, die sie sich für die 6 Stunden Zeitumstellung genommen haben.
Mein Alltag hat mich schon schneller wieder. Nach 30 Minuten und ich fühle nicht mehr, dieses leise Verlassensein. Wenn ich dann wieder einen Tempel sehe, oder andere Orte, die ich mit ihnen besucht habe, dann sind auch die Gespräche wieder da.
 

Vientiane, Montag den
28.  Februar 2000

Der Himmel ist ganz schwarz, nicht einmal der Mond ist zu sehen. Auf den Plastikstühlen sitzen nur wenige junge Frauen, der ausgeblichene Fallschirm über ihnen, flattert im Wind. Ein Überbleibsel aus den Jahren 1964 bis 1973. Am Tag hat er die Menschen, auf dem Tempelgelände (Wat), vor der Sonne geschützt.
Im Sim des Tempels, auf Bambusmatten sitzen viele Menschen, ganz in weiß gekleidet, vor der großen neuen Buddhastatue. Die Mönche lesen Gebete, in Pali, von Palmblättern ab. Ihre Stimmen kommen aus einer Lautsprecheranlage, die sehr fremd in dieser Umgebung wirkt. Über den betenden Männern und Frauen ist ein Netz aus weißen Baumwollfäden, gesponnen von Menschenhand. Jeder der Anwesenden hält einen Faden zwischen den gefalteten Händen.
Die Fäden verbinden alle, mit der neuen Buddhastatue, die wie eine Mumie, mit weißen Stoffstreifen verbunden ist. Die vier anderen Buddhastatuen, auf dem Watgelände, sind ebenso verbunden, auch von ihnen führen weiße Fäden ins Sim.
Sun Pan hat mich eingeladen, sie wollte das ich Fotos mache und diese besondere Einweihung mit ihr Teile. Doch sie darf heute kein weiß tragen, ihr Blut Mond ist gekommen. Es wird Unglück bringen, wenn sie mit den anderen Beten würde.
Die Gebete dauern bis zum nächsten Morgen, um fünf Uhr.
Die Männer und Frauen in den weißen Tüchern dürfen nur Wasser trinken und nichts essen. Ein Mönch erklärt mir, daß die Männer auch rauchen dürfen, nur die Frauen nicht und er lacht über diesen Witz.
Laotinnen rauchen nicht.
Alte Frauen rauchen, aber meist bevorzugen sie das Kauen der Betelnuß und spucken den roten Saft auf die Erde.
Zwischen den langen Gebeten gibt es Pausen, Zeit für die kleinen menschlichen Bedürfnisse. Die Männer achten darauf, nicht das selbe Tor, wie die Frauen zu benutzen.
Dicke gelbe Kerzen stehen zwischen den betenden Mönchen und viele Blumen, auch Gestecke aus buntem Metallpapier, jedes Blatt kunstvoll gefaltet. Frauenarbeit.
Viele Gesichter, sehen um 20 Uhr schon sehr müde aus, es sind die Gesichter derer, die bis zum Morgen bleiben werden.
Das auch die Männer weiß tragen erstaunt mich. Es ist die Farbe der buddhistischen Nonnen, oder der weiblichen Angehörigen, die einen nahen Verwandten zur Verbrennung begleiten.
Hinter dem neuen Buddha, Wandgemälde, sie erzählen von Buddhas Weg.
Auch Bildnisse seiner Eltern, mit dem kleinen Heiligen, auf Lotusblüten wandelnd. Eine sehr freie Auslegung, der Geschichte Buddhas.
Ich bitte Sun Pan, die Fotos selbst aufzunehmen. Zwar weiß ich wohl, wie ich mich zu verhalten habe und daß ich nur gebückt und um Entschuldigung bittend, mich zwischen den Menschen bewegen darf, aber hier bin ich weit mehr eine Ausländerin, als im täglichen Leben in Vientiane und ich möchte, den Ablauf dieser langen Zeremonie nicht stören.
Ich bleibe im Hintergrund und Sun Pan macht 34 Bilder.

In den nun fast vier Jahren, die ich in Laos lebe, durfte ich zum ersten Mal Zeugin, einer solchen Einweihung werden. Sun Pans Dorf, Bahn Hong Su Phab, ist nicht reich und das dieser Tempel, nach vielen Jahren, einen großen Buddha bekam, ist einer laotischen Familie zu verdanken, die in den 70iger Jahren, Bhan Hong Su Phab verließ und heute in Amerika lebt.

Bilder in meinem Gedächtnis, die ich sicher, irgendwann, nach Deutschland mitnehmen werde.
Kaum mitteilbar, und doch verstehe ich immer besser, was es bedeutet, daß Herz leicht sein zu lassen.
 

Vientiane, Donnerstag
den 2. März 2000

Diesmal hält es sich deutlich länger, daß ich noch 1999 schreiben möchte, wenn ich das Datum notiere.  März! Obwohl in Laos alles etwas langsamer geht und Menschen auf der Straße, die durch schnelles Gehen auffallen, immer Ausländer sind, hat die Zeit hier ein ganz anderes Tempo. Mir kommt es vor, als verginge sie noch schneller als in Deutschland. Zu Hause zu sagen wäre falsch,  denn mein Zuhaus ist dort, wo ich lebe.
Trotzdem kommt es mir seltsam vor, wenn ich Deutschland schreibe - als habe dieses Land nur noch sehr wenig mit mir zu tun, als sei es mir unbemerkt aus den Händen geglitten wie Sand, der durch die Finger rinnt.
Heimat war noch nie ein Wort für mich. Ein Wort aus alten Gedichten, die heute etwas sperrig auf mich wirken wie Möbel aus vergangenen Zeiten - etwas zu üppig, etwas zu schwer.
Möbel! Was habe ich alles eingelagert. Selbst Sachen, die ich auf dem Sperrmüll fand. Zum Beispiel zwei vollkommen ausgesessene Sessel. Wenn ich mal zu Geld komme, wollte ich sie neu beziehen. Manchmal graust mir davor, sie wieder zu sehen.
Ich fühle, daß dieses Land mich verändert hat. Unmöglich zu sagen welche Veränderungen mit Asien zu tun haben und welche nicht. Ich fühle voraus, daß manche Dinge, die ich eingelagert habe und eines Tages wieder auspacken werde, mir sehr fremd sein werden.
Allein die Bücher vermisse ich oft, manche sogar schmerzlich.
 

Vientiane, Freitag
den 3. März 2000

Brief an meinen Freund Harald:
Lieber Harald
In deinem letzten Brief fragst du mich, ob es mir in Laos oft passiert, mit europäischer Kühle in Situationen rein zu rennen und ob ich oft das Gefühl habe, alles falsch zu machen.
Die direkte Antwort lautet „Nein“. Vielmehr hatte ich von Anfang an das Gefühl, hier auf einen Kern meines Wesens zu stoßen. Die Leichtigkeit im Umgang mit dem Schweren, die fälschlicherweise oft für Gleichgültigkeit gehalten wurde. Hier in Laos fand ich endlich die Entsprechung, die Praxis des theoretischen Wissens, daß nichts wirklich schwer ist.
Mühsam  suche ich freilich immer  noch nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner eines Problems, aber jetzt mit der Gewissheit, ihn zu finden.
Die meisten Laoten haben nicht sehr viel, aber sie haben alles, was wirklich nötig ist. Laos ist ein Land, in dem niemand hungert. Es gibt Mangelerscheinungen, wie zum Beispiel die Veränderung der Haarfarbe, vor allem in den Dörfern der Bergbewohner, Ausdruck einseitiger Ernährung, aber nicht von Mangel an Nahrung überhaupt.

Ich komme ab von deiner eigentlichen Frage.
Mich selbst nicht wichtiger zu nehmen als andere, mich nicht für klüger, nicht überlegener zu halten, das ist das einfache Trainingsprogramm, das ich unbewusst begann, als ich in Laos ankam - im April 1996. Inzwischen ist mir die Veränderung, zu der das Training führte, bewusst, besonders dann, wenn es Rückfälle in die alten Verhaltensmuster gibt. Mich dann nicht zu tadeln, sondern das Wissen nutzen, daß Rückfälle ebenso zum Lernen gehören wie Fortschritte.
Du erinnerst dich vielleicht an einen wichtigen Satz aus den ersten Briefen über die Laoten in Vientiane: Bor pen njang, „Das macht nichts“, ist hier nicht bloße Floskel, sondern gelebte Grundeinstellung. Von diesem Standpunkt aus kann man alles gelassen und ruhig betrachten.
So kann ich selbst Dinge, die mich wirklich stören, lächelnd ansprechen, und sie können lächelnd aus der Welt geschafft werden. Niemand verliert dabei sein Gesicht.

Dann fragst du weiter nach den Klassenunterschieden. Du kommst zu der Frage über Malaysia und Indonesien. Diese Länder sind nicht mit Laos zu vergleichen, abgesehen davon, daß ich Vergleiche immer fragwürdig finde. Zum Thema Armut habe ich mich weiter oben schon geäußert.
Oft werden wir noch „Falang“ genannt. „Falang“ bedeutet eigentlich Franzose und stammt aus der Kolonialzeit. Falang ist aber inzwischen zum allgemeinen Wort für Ausländer geworden. In Vientiane benutzen viele Laoten jedoch das neue Wort „ Khon Dtang Pha Tet“ für Ausländer. Natürlich ist das Wort nicht wirklich neu, aber für mich enthält dieses Wortspiel die Geschichte vom Unterschied zwischen Stadt und Dorf. Dieser Unterschied ist mehr als deutlich. Auch wenn die Stadt oft nur zwei Querstraßen von den Reisfeldern getrennt ist und viele Städter noch immer vom Reisanbau leben, so werden die Unterschiede doch immer spürbarer. Aber in den Jahren, die ich hier lebe, ist mir der Neid noch nicht begegnet.
Die Schere geht auseinander - langsam, aber unaufhaltsam. (Sag mir, wo auf der Welt ist das anders?)
Ich habe das Glück, hier eine Entwicklung mitzuerleben, die in Deutschland zum Zeitpunkt meiner Geburt schon unnachvollziehbar fortgeschritten war.
Als Falang lebe ich in einer Sonderstellung: Die meisten Laoten gehen davon aus, daß ich reich bin und mir einfach so ein Auto kaufen kann. Für Laoten ist die Möglichkeit, einen Kredit zu nehmen, sehr begrenzt und außerdem noch recht neu.
Die Familie ist die Sozialversicherung. Verwandte oder manchmal auch Freunde werden beliehen, wenn beispielsweise eine unabwendbare Operation durchgeführt werden muss. Die Angst, krank zu werden, ist sehr groß, und selbst bei kleineren Unpässlichkeiten wird ein Arzt oder ein Kräuterkundiger aufgesucht. Die Symptome eines Schnupfens werden mit ernster und besorgter Miene besprochen. Hier „Bor pen njang“ zu sagen, wäre unangepasst.
Die Beschränkung auf das Wesentliche, Gesundheit ist wesentlich.

Du hast Recht: „Langnasen“ werden wir auch hier genannt. Aber es ist nicht negativ, es entspricht einfach der Wahrnehmung. Wir haben nun mal längere Nasen, und wir sind auch größer. Bei meinen 1,62 m falle ich nicht so sehr aus dem Rahmen. Vielleicht komme ich mir deshalb nicht ungelenkig oder gar tollpatschig vor.
Schnell habe ich gelernt, bei Besuchen in den Familien auf dem Fußboden zu sitzen und mit den Fingern zu essen.
Als Rene mich besuchte und bei Kai Kham zum Essen eingeladen war, ließ er sich ächzend auf dem Fußboden nieder. Die Mutter schickte den Jüngsten, eine kleine Holzbank zu holen - nur wenige Zentimeter hoch, aber Rene saß bequemer. Wir lachten alle.
Lachen hat hier so wenig mit Lächerlichkeit zu tun, und wenn man in die lachenden Gesichter schaut mit offenem Herzen, wie du es nennst, dann sieht man das auch.

In Vientiane ist man schon sehr an Ausländer gewohnt. Nur die kleineren Kinder beobachten mich stumm mit großen schwarzen Augen.

Wenn ich über Land fahre, begegnen mir immer „Sa bei di.“ rufende und winkende Kinder und Erwachsene.

Es gibt noch so viel zu erzählen, und gestern kam schon dein zweiter Brief. Ich würde gerne noch weiter bei dir bleiben, aber ich muss jetzt den Matheunterricht vorbereiten.

Sei umarmt, bis bald
Deine Ilona
 

Vientiane, Dienstag
den 7. März 2000

Kamla ist fertig geworden mit dem Gießen. Der ganze Garten riecht nach feuchter Erde. Kühl ist es nun geworden nach dem Gießen. Nicht viel Blumen sind gepflanzt. Das Grün überwiegt. Grün in allen Variationen. Die wenigen Blumen, die es gibt, haben winzige lila Blüten. Mit Rosen hatte ich bisher kein Glück. Im letzten Jahr hatte ich Sonnenblumen, aber als die Köpfe schwer wurden, kam die Regenzeit. Dem kraftvollen Regen konnten sie nicht standhalten. Ein trauriger Anblick, von dem Kai Kham mich befreit hat. Ich habe es nicht gekonnt, die Sonnenblumen aus der Erde zu reißen. Der kleine Baum, den Sun Pan für mich eingepflanzt hat wegen der stark duftenden Blüten, beginnt zum ersten Mal zu blühen. Die den Boden bedeckende Pflanze mit den lila Blattunterseiten hat sich zu einem dichten, ovalen Beet entwickelt. Der Strunk einer Ananas, den ich einfach in den Boden steckte, ist angewachsen. Schon sieht man kräftige neue Blattlanzen. Ich habe den Platz schlecht gewählt, zu viel Schatten.
In Luang Prabang sah ich an vielen Hängen Ananasplantagen - der vollen Sonne ausgesetzt!
Im letzten Jahr wurde eine große Fläche, direkt an der Straße Nr. 13 gelegen, brandgerodet. An ein Weiterfahren war vorerst nicht zu denken, so dicht war der Rauch.

Jetzt ist die Sonne schon ein roter Ball am Himmel. Die vorderen Räume sind durchflutet von orange farbenem Licht. Diese halbe Stunde am Tag hat immer etwas Festliches und Belebendes.
 

Vientiane, Mittwoch
den 8. März 2000

Sunpan hat mir laotischen grünen Tee gekocht, der aus den Hochlandgebieten des Südens kommt. Heute am 8. März, dem Frauentag, gehen die Laotinnen zusammen aus. Sunpan ist mit ihren Freundinnen von der Schule verabredet. Sie kennen sich seit über 3 Jahren. Jeden Mittag treffen sie sich, wenn sie für die Kinder ihrer Arbeitgeber das Essen an die Schule bringen.

Während nach vielen Versuchen ihr Moped scheppernd und klingelnd anspringt, bin ich schon in den Wortbildern meines Luang-Prabang-Reiseberichtes vom Dezember 1998 verschwunden:

Im Park des Königspalastes verabschiede ich mich von den Dreien. Hunde dürfen da nicht hinein, da will Sven dann auch nicht mit. So zog ich also allein meine Schuhe aus. Leider muss ich am Eingang auch meinen Fotoapparat abgeben. Postkarten vom Inneren des Palastes gibt es leider auch nicht. Nahe dem Eingang ist schon der erste Thronsaal. Hinter dem Thron ist der riesige Vorhang geöffnet, und ich konnte in den zweiten Thronsaal schauen.  An den Wänden wunderschöne Mosaike aus japanischem Glas mit Szenen aus dem Leben des Volkes. Ein wahrhaft märchenhafter Thronsaal.
Auch die königlichen Schlafzimmer waren zu besichtigen. Zuerst das der Königin. Die Bibliothek vorher war sehr enttäuschend. Geschmacklose Sessel aus den 60er-Jahren und niedrige Rauchtische. Die Vitrinen, in denen die Bücher in grauen Schobern steckten, waren ebenso nichts sagend.
Das Schlafzimmer der Königin ist fensterlos wie das des Königs. In alle vier Himmelsrichtungen gab es jedoch Türen. Die Räume waren angenehm schlicht - kein Prunk, zweckmäßig und doch nicht unpersönlich. Vier Stehlampen flankieren das Bett. Das Bett des Königs ist etwas mehr verziert. Am Fußende befindet sich der vierköpfige Elefant, der die laotische Flagge ebenso zierte, bis zur Revolution.
Weiter im Gang, der um die Räume herumführt, ein Grammofon. Auf dem Plattenteller liegt eine Schellackplatte. Ich leihe mir einen Stift und schreibe auf meine Eintrittskarte:
Toccata ess sol Majeur
Adagio
Bach  - Pablo Casals
Piano ACC
Par. N. Mednikoff
Mir ist, als schwebt auf einmal Musik durch die Räume, und die Vorhänge wehen in den Gang und die Zeit kehrt zurück. Am liebsten die Zeit nach der Fertigstellung des Palastes. Das war erst 1904. König Si Savang Vong, der Vorletzte, ließ es erbauen. Oder als 1930 der Franzose Alix de Fauterau die Szenen aus dem ländlichen Leben auf die Wände malte. Immer noch schön, aber sehr restaurierungsbedürftig. Ihm hätte ich gerne zugeschaut und ihm die kräftigen Farben die Leiter hinauf gereicht. Eine Träumerei! Mühelos überwinde ich die Tatsache, daß ich 1930 noch nicht geboren war.
Das Esszimmer ist ebenfalls schlicht. Vier Anrichten stehen an den Wänden. Das Holz hat eine warme Farbe, in der Mitte steht ein Tisch mit weißen Spitzendecken, eingedeckt für die königliche Familie. In zwei Vitrinen ist das Geschirr ausgestellt. Ich sehe ihnen an, daß sie nicht zur ursprünglichen Einrichtung gehören.
Durch das riesige Fenster des letzten Raumes sehe ich Sven, Leslie die kleine Hündin und Lars durch die Zuckerpalmenallee auf den Palast zukommen.
Von der Terrasse winke ich ihnen huldvoll zu und schüttle den Traum ab. Ich bin wieder in der Realität.
Leslie gefällt es sehr gut in dem Park, ausgelassen läuft sie auf eine Schar Hühner zu, die zu Hause sind im Palastgarten seit Generationen.
Nach vorne ist der Park sehr gepflegt, doch hinter dem Haus ist er ziemlich vernachlässigt.

Der Deckenventilator dreht sich, und nun höre ich auch das Geräusch wieder. Die Lust, Luang Prabang wieder zu sehen, auch den Palast, bleibt. Dabei kann ich gar nicht sagen, was mich an diesem Palast so fasziniert hat. Vielleicht die Verquickung von laotischem mit französischem Stil?
 

Vientiane, Mittwoch den
22.  März 2000

Heute bin ich vor der Hitze in den australischen Klub geflüchtet. Mein Tagebuch liegt auf meinem Bauch und ich schreibe. Der Himmel ist weiß wie mein Blatt Papier. Seit Tagen schon. Die Sonne ist ein kleiner Glutball am Himmel,  die Sonne in der Wüste stelle ich mir oft böswillig vor. Wenn ich dem Mekong mit meinem Blick folge, dann scheint er dort, wo er eine große Kurve beschreibt, im Nebel zu verschwinden. Es ist dieses merkwürdige Licht. Wären nicht die fröhlichen Rufe der Kinder und die Laoten, die ihre handtuchgroßen Felder wässern, dann könnte ich mir einbilden, mit den Zierpalmen und Eukalyptusbäumen an einem ersten Erdentag zu sein. Die Eukalyptusbäume haben leider die Australier mitgebracht. Eine Eukalyptusplantage hat etwas Trostloses. Wie ein halb fertiger Gedanke stehen sie da.
Seltsame Bilder fallen mir ein, sie kommen noch aus der Antriebslosigkeit, die die ersten heißen Tage bei mir hervorrufen. Der Nachmittagsschlaf  war dem Tod so ähnlich, auch in seiner Unvermeidbarkeit. Und doch gehört er zu dieser Zeit wie ein alter Vertrauter. Er gehört zum Beginn der Hitze wie die Ameisenstraßen im Haus.
Selbst über den Kopf meiner Zahnbürste führt ein Abzweiger zur Zahnpasta.  Ich habe auch gelernt, mit den Termiten zu leben. Selbst mit den Kakerlaken, die vor allem am späten Abend die Besteckschublade der Küche bewohnen. Lange ist es her, als ich die Küche nicht mehr betrat, wenn eine Kakerlake vor dem Aufflackern der beiden großen Neonröhren im Dunkel verschwinden wollte. Sie sind so groß wie eine Streichholzschachtel und wirken so unbeholfen. Manche sterben, weil sie es nicht schaffen, wieder auf die Beine zu kommen, wenn sie auf dem Rücken liegen. Warum sind sie mir so zuwider? Warum kann ich mit einer Spinne in der selben Badewanne duschen? Auch nachdem Kai Kham mir erzählte, dass es Spinnen gibt, an deren Biss man nach 6 Jahren stirbt. Er glaubt fest daran. Eine große Spinne hat am Mangobaum vor meinem Schlafzimmer ein großes Netz gebaut. Sie ist sehr schön. Ich habe sie beobachtet, als eine große Libelle sich in ihrem Netz verfing. Nach ihrem Biss war die Libelle sofort gelähmt.

Einmal hätte ich beinahe meinen Mixer fallen lassen, als unzählige kleine Kakerlaken durch die Bewegung aufgeschreckt wurden und aus dem Gehäuse krabbelten.
Alles muss jetzt in den Kühlschrank, selbst das Bougette (ein angenehmes Überbleibsel aus der Kolonialzeit).
Die Suppe auf dem Herd wird bis zum Abend sauer und ungenießbar.
Wollpullover, die im Schrank aufeinander liegen, riechen nach Schimmel.
Meine Bücher sind vom Schimmel nicht bedroht, den ganzen Tag rattern die beiden großen Deckenventilatoren im Wohnraum.
Steine auf meinem Schreibtisch verhindern, dass meine losen Papiere davonflattern.
 

Vientiane, Donnerstag
den 30. März 2000

Heute wird Kai Khams Elternhaus angehoben. Dieses traditionell gebaute Lao Lum Haus steht seit 20 Jahren an seinem Platz. Der Vater hat es selbst gebaut. Einzige Veränderung der letzten Jahre war, dass die Holzstelzen durch Betonstelzen ersetzt wurden. Sie waren sehr vom Termitenfraß befallen. „Poh“ (Vater) hat das Haus selbst gebaut. Damals war Kai Kham
11 Jahre alt.
Poh bat mich gestern, ihm meinen Wagenheber zu leihen, was ich gerne tat. So wird das Haus also sehr modern gehoben . Insgesamt haben sie nun 5 Wagenheber. Die Säulen sind schon freigegraben, und lange Balken stützen jetzt schon das Haus ab.
„Mäh“ (Mutter) hat von ihrer Schwester, die schon seit vielen Jahren in Amerika lebt, 400 $ geschickt bekommen. Davon soll das Haus unterbaut werden mit roten Backsteinen. Ob das Geld auch für den Verputz reicht?  Wo wird Mähs Webstuhl stehen? Jetzt steht er unter dem Haus, und Äh,  ihre Schwiegertochter, webt jeden Tag, um am Samstag den gewebten Stoff zu verkaufen.
Die drei letzten Söhne, die noch Zuhause leben, sollen ihre eigenen Zimmer bekommen. Die Kinder von Mäh sind alle bei ihr geblieben und haben auf ihrem Land ein  Haus gebaut. Für die Männer ist es eigentlich üblich, nach der Hochzeit zu ihren Frauen zu ziehen.
Diese Tradition hätte für Mäh und Poh schlimme Folgen gehabt, da sie nur eine Tochter haben. Dänn und  ihr Mann hätten zusammen mit den Eltern die gesamte Arbeit auf den Reisfeldern, die Versorgung der Wasserbüffel, Hühner und Enten übernehmen müssen. Poh ist schon 64 Jahre alt, und sein Körper ist deutlich gezeichnet von der harten Arbeit. Seine Arme sind sehnig und können immer noch erstaunlich stark zupacken. Sein Körpergewicht steht in keinem Verhältnis zu der Kraft, die er immer noch hat.
Mäh hat 12 Kinder geboren und 6 davon verloren. Einige der Kinder überlebten nicht das erste Jahr. Täglich verrichtet sie ihre Arbeit. Geheiratet hat sie mit 15. Ihre Mutter konnte sie nicht mehr versorgen, deshalb wurde sie verheiratet in einem Alter, in dem das Heiraten durchaus üblich war.
Mäh ist die schnellste, geschickteste Reispflanzerin in der Familie. Wenn es keine Fische mehr im Fischteich gibt, verbringt sie  viele Stunden damit, im Reisfeld nach Schnecken zu suchen. In ihrer Familie gehört das Fischen zur Aufgabe der Männer.

Wenn das Haus erst fertig unterbaut ist, wird es ganz anders aussehen. So verschwindet ganz allmählich eine bewährte Tradition. Mäh und Pohs Söhne haben schon Steinhäuser gebaut. Der Eingang ist ebenerdig, und aus Geldmangel gibt es auch keine zweite Etage. Zuerst wird ein Raum gebaut, und wenn wieder etwas Geld da ist, wird ein weiterer Raum gebaut oder der vorhandene Raum durch eine Mauer geteilt.
Dänns Haus ist das erste Haus, das gebaut wurde. Ich sah es sich ausdehnen und strecken. Als erstes wurde der Lehmboden hinter dem Haus so hart gestampft wie Beton. Eine Feuerstelle und ein kleiner Schrank, der an der Hauswand lehnte. Als die Regenzeit kam, wurde die karge Küche überdacht. Inzwischen ist sie auch eingefasst. Die Fenster sind noch ohne Läden. Neu ist das Badezimmer. Ein Toilettenschüssel, über die man sich hockt und ein Betonbecken, etwa 1 Meter tief und mit Wasser gefüllt, auf dem eine Schöpfkelle aus blauem Plastik schwimmt. Sie wird zum Abspülen der Toilette und zum Duschen benutzt.
Mäh duscht noch an ihrem Gemüsegarten im Freien.
Dänn hat jetzt auch ihren eigenen Brunnen, sogar eine Wasserpumpe, die das Wasser hoch pumpt -  irgendwann mal  wohl auch bis ins Haus. Nun muss sie nicht mehr so weit gehen, um den Betonquader mit Wasser zu füllen.
Ich glaube, ihr Haus ist jetzt fertig. Vielleicht kommt später eine Trennmauer hinzu, wenn ihre beiden Söhne größer werden.
 

Vientiane, Montag
den 10. April 2000

Über eine Stunde fuhr ich durch Vientaine auf der Suche nach einem Hühnerkorb aus Bambus. Erst am Mekong fand ich, was ich suchte. Mein alter Hühnerkorb stand ein Jahr unbenutzt im hinteren Garten. Die Termiten haben ihm schon ziemlich zugesetzt. Trotzdem sägte Lars eine Öffnung in den Korb, durch die Leslie hinein gehen konnte. Mit Plastiksäcken machten wir ihn regensicher. Schon bald war klar, dass dies nicht die beste Lösung war. Leslies Welpen, obwohl noch blind, kamen durch die Öffnung nach draußen.
Leslie hatte schon vor einem Monat angefangen, eine Höhle unter die Betonplatte zu graben.
Die Höhle ist sehr geräumig, aber heiß und stickig. Die ersten beiden Tage hat Leslie die Höhle kaum verlassen. Sie lag hechelnd und mit erdiger Zunge darin.
Wenn die Regenzeit anfängt, dann wird die Höhle sicher überschwemmt.
Mit Kamla habe ich den neuen Korb bearbeitet. Wir haben den Rand erhöht und uns beim Einziehen der Bambusstreifen blutige Finger geholt. Kleine Schnitte, die Ränder der Bambusstreifen sind scharf wie Messer. Den unteren Rand des alten Korbes hatten die Termiten schon gänzlich getilgt.
Jetzt steht der kuppelförmige Hühnerkorb im vorderen Garten unter dem Papageienschnabel und dem großen Mangobaum. Es wird eine Weile dauern, bis die Kleinen es alleine schaffen, nach draußen zu kommen.
Es war schon dunkel, als ich den Korb austauschen konnte. Morgen zeigt sich, wie heiß es im Inneren wird.
Fünf Tage alt sind die Welpen heute. Immer noch blind und ganz verknautschte Gesichter. Einer ist grau wie eine Maus, eine seltsame Farbe für einen Hund, aber sehr hübsch mit dem weißen Blitz, der zwischen den Augen beginnt und an der winzigen Nase endet.
Tavon, Sunpan und Kai Kham wollen aus Leslies erstem Wurf einen Welpen haben.
Meine vier kleinen Katzen unterzubringen war viel schwieriger.
Die kleine grau getigerte Katze wollte ich behalten, aber sie hat sich im Motorraum des Autos versteckt, und  ich habe sie überfahren, als ich eines Morgens zur internationalen Schule fuhr. Ich hatte etwas vergessen und kam noch einmal nach Hause. Kamla, der bei mir als Gärtner arbeitet, hatte sie schon gefunden.
Ich versuchte, hinter dem Haus ein Loch auszuheben. Der Boden ist dort hart wie Beton.
Kamla sah mir eine Weile zu, dann humpelte er heran und lachte. Mit fünf Jahren hatte er Kinderlähmung, seitdem zieht er sein linkes Bein hinter sich her. Seine Arme sind sehnig und dünn, man sieht ihnen die Kraft nicht an. Schnell hatte er ein tiefes Loch gegraben. Ich hätte Stunden dazu gebraucht.
Als die große Schaufel bereits im Loch verschwand, glaubte ich, Kamla hat nun wirklich tief genug gegraben, die Anstrengung war ihm nun doch deutlich anzumerken.
Aber das Loch war noch nicht tief genug, und mit schnellen kräftigen Stößen verschwand die Schaufel im Loch und beförderte die harte Erde, nach oben.
Sicher gibt es einen Grund dafür, den ich nicht kenne.
Er fragte, ob ich Kau Niau (Klebreis) habe. Nein, leider nicht, aber Brot, ob das auch ginge. Ja, und Sunpan gab ihm noch 2 kleine Kerzen. Kamla machte für die Katze eine kleine Zeremonie. Murmelnd legte er das Brot in das Loch, zündete die Kerzen an und legte die kleine Katze sehr behutsam in das Loch. Wieder murmelte er eine Litanei, ganz ähnlich dem Singsang, der am frühen Morgen vor meinem Tor erklingt, wenn die Mönche aus dem Dorf kommen mit ihren gefüllten Schalen auf ihrem Weg zurück zum Tempel.
Genau so feierlich und behutsam wie er die Kerzen aufgestellt hatte, schaufelte er das Loch zu. Ich stand etwas abseits, ich wollte nicht zusehen, wie die Erde den unbedeckten Körper der Katze berührt.
In dieser Katze kann ein Wiedergeborener gelebt haben. Kamla ist den Traditionen seines Landes mehr verbunden als manch ein anderer junger Mann in seinem Alter.
 

Vientiane, Dienstag
den 25. April 2000

Sunpan wäscht die Wäsche wieder mit der Hand. Und das jetzt, wo es so heiß ist und ich mich 2 x am Tag umziehen muss. Der Schweiß läuft mir den Rücken runter, und selbst meine langen Haare sind mir jetzt lästig. Nun sitzt sie seit über einer Stunde hinter dem Haus, und ich höre, wie sie die Wäsche bürstet.
Die kleinen Hunde haben heute angefangen, miteinander zu spielen. Manchmal stehen sie auch schon auf den Hinterbeinen, die sie bis jetzt unnütz hinter sich hergezogen haben wie Maulwürfe. Ein paar wacklige Schritte gelingen ihnen auch schon. Es wird lebhafter im Hühnerkorb.
In einiger Entfernung flimmert die Luft. Kai Kham sagte mir einmal, als wir am Baum im Reisfeld saßen, dass es mindestens 38 Grad seien, wenn die Luft flimmert. Ich glaube ihm das gerne, dies ist das einzige Thermometer, das ich benutze.
An manchen Tagen wird es am Nachmittag dunkel, und graue, verheißungsvolle Wolken hängen am Himmel. Oft dauert es fast schon quälend lange, bis es dann endlich regnet, manchmal ist die Hoffnung auch vergebens. Schon meinen manche, die Regenzeit habe angefangen - einen Monat früher. Warum nicht, der Dezember war schon ungewöhnlich. Mir ist es recht. Kai Kham hat seinen Reis auch schon geerntet. 15 Säcke, eine sehr gute Ernte. Die Felder seiner Eltern und die seines Bruders haben in diesem Jahr weniger hergegeben. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Kai Kham sich immer Sorgen um seinen Reis gemacht hat. Er sei nicht so grün, wie der seines Bruders, und die Fruchtstände waren nicht so üppig, wie die seiner Eltern.
In diesem Jahr kann Kai Kham sogar ein bis zwei Säcke verkaufen.
 

Vientiane, Mittwoch
den 26. April 2000

In der Nacht hat mich eine Mango geweckt, die mit einem lauten Krachen auf das Wellblechdach des Vogelhauses fiel. Danach konnte ich lange nicht mehr einschlafen, und so hörte ich dem Regen zu, der immer wieder von neuem anfing.  Ich ließ die Wäsche auf der Leine. Vor Tagen fand Kai Kham einen Skorpion auf der Terrasse. So nahe am Haus gab es schon lange keinen Skorpion mehr. Seitdem betrete ich den Rasen in der Dunkelheit immer mit Wachsamkeit und Vorsicht. Ich habe Angst vor dem Stich, der sehr schmerzhaft sein muss. Lange Zeit hing einer an meiner Wand hier gleich am Schreibtisch. Andrea bat mich, ihn ihr zu schenken, es ist ihr Sternzeichen, und als sie im Februar zurück nach Deutschland flog, habe ich ihr den Skorpiom zum Abschied geschenkt.
Ob Kai Kham das laute Krachen wohl auch gehört hat? In der Garage bleibt es still, und ich denke an das, was er mir am Abend erzählt hat. Ohns Schwester ist am Montag mit ihren beiden Kindern aus Pakse gekommen. Sie hat ihren Mann verlassen und will jetzt wieder in Vientiane wohnen. Vor 8 Jahren war sie Soldatin und hat in Vientiane auf dem Militärgelände gewohnt.
Kai Khams Haus ist immer noch nicht fertig. Eine ganze Außenwand ist noch nicht bis zum Dach gemauert, und eine blau-weiße Plane schützt den Wohnraum vor einfallendem Regen. Es gibt nur 2 Zimmer, die eine Tür haben. Eines davon hat jetzt die Schwägerin mit ihren beiden Kindern bezogen.
Kai Kham zuckte die Achseln, lächelte schief und sagte: “Pech gehabt!“
Erst gestern habe ich mich gefreut, dass er Reis aus seiner Ernte verkaufen kann. Das wird jetzt nicht mehr möglich sein. Natürlich verbietet ihm seine Tradition, die Frau zurück nach Pakse zu schicken. Die Familie ist die soziale Versicherung! Kai Kham hat ein monatliches Einkommen, das er als Nachtwächter verdient und gilt somit als abgesichert.
Es ist nicht gesagt, wie lange Ohns Schwester bleibt. Vielleicht verträgt sie sich wieder mit ihrem Mann und kehrt zurück.
Für Ohn ist es sicher schön, ihre Schwester bei sich zu haben. Eine Hilfe, die ihr den kleinen Kevin mal abnehmen kann, damit sie Kai Kham helfen kann, die Enten und Hühner zu füttern oder beim Schneckensuchen im Reisfeld.
 

Vientiane, Donnerstag
den 27. April 2000

In der Nacht hat die Regenzeit nun wirklich ihren Anfang genommen. Die Terrasse wurde wieder in ein Wasserzimmer verwandelt, und die Speier spuckten das Wasser aus, als käme es aus einem Wasserschlauch. Der Regen stand auf dem Rasen und konnte so schnell gar nicht versickern. Ein Prasseln und Rauschen, wie ich es liebe. Die Stille war weit weg, Donner und Regen haben sie verdrängt, auch ein Wind, der unreife Mangos von den Bäumen regnete. Das Vogelhaus wurde umgehauen, als ich gerade im Haus war. Die Stelzen waren von den Termiten angefressen.
Kai Kham und Lars haben den Käfig aus dem Farn gezogen, da war er schon leer. Nun fliegt, wie ich hoffe, ein glücklicher Vogel durch Vientiane. Solange der Regen andauerte, ist er hoffentlich in den Mangobäumen geblieben. Heute sollte das Vogelhaus  repariert werden.
Kamla erzählt, dass er den Vogel heute Morgen im Garten gesehen hat, als er Kai Kham abgelöst hat. Sunpan hätte am liebsten sofort das Haus wieder aufgestellt und Futter in den Käfig getan. Sie ist davon überzeugt, dass der Vogel dann wieder kommen würde. Kai Kham schien mir traurig darüber zu sein, dass der Vogel jetzt weg ist.  Zwei Jahre hatte der Vogel bei mir gewohnt. Er war ein Geschenk von Kai Kham, ich hätte ihn damals gar nicht angenommen, aber das wäre zu unhöflich gewesen. Ich bat ihn, einen großen Käfig zu bauen, was er damals ungern getan hat. Erst, als er bei der Arbeit war, fing es an, ihm Spaß zu machen, und so wurde das Vogelhaus sehr schön. Wenn Mali das Leben im Käfig wirklich vorzieht, dann müssen neue Stelzen her.

Auf der Leine hängt Sunpans blaues Regenzelt. Bis Oktober wird ihr Regencape jetzt jeden Morgen dort hängen.  12 Kilometer fährt sie am Morgen und am Nachmittag. An Samstagen und Sonntagen bleibt sie zu Hause und hilft ihrer Mutter mit dem kleinen Laden, versorgt ihre Hühner und wäscht die Wäsche ihrer Tochter. Ihre beiden Söhne leben in Thailand bei ihrem ersten Mann. Ihr jüngster Sohn ist ins Wat gegangen und lebt seit 4 Jahren das Leben eines Mönches.
So messe ich also die beiden Jahreszeiten an Sunpans Regencape.
 

Vientiane, Samstag
den 29. April 2000

Zu den schönen Dingen in meinem Leben gehört es, nachts dem Rauschen und Prasseln eines mächtigen tropischen Monsumregens meine Gedanken anzuhängen, während ich sicher und trocken im Sofa sitze, manchmal auch einen Blick in das aufgeschlagene Buch auf meinen Knien und die Hundebabys werfe, sich leise winselnd freuen, dass Leslie endlich zu ihnen in den Hühnerkorb gekommen ist.
Noch etwas gehört unbedingt dazu in einem Land, in dem ich nicht geboren wurde - mit meinem Moped durch die Hauptstadt zu fahren und wiedererkannt zu werden, die Hand gehoben zu einem Gruß.
Mir ist vor ein paar Tagen klar geworden, dass dieser Umstand für mich zu Hause sein bedeutet!
Es geschah, als ich am Nam Puh stand, dem großen Platz in Vientiane, wo das einzige Hochhaus steht, das es in dieser Stadt gibt, ungenutzt länger schon, als ich hier bin. Die leeren Fensteraugen geben dem belebten Platz einen interessanten Widerspruch. An diesem Sonntagvormittag war es ungewöhnlich ruhig, und während mir diese Ruhe bewusst wurde, merkte ich gleichzeitig, wie vertraut mir dieser Platz schon ist. Besonders dieses Erscheinungsbild erinnerte mich an ein fernes Gefühl sonntäglicher Langeweile in den Kindertagen, die nun nachträglich eine angenehme Erinnerung wurde.  In diesem Augenblick waren der Marktplatz meiner Heimatstadt und dieser Platz vollkommen gleich, ich hatte sie miteinander in Verbindung gesetzt.
Auf der Uferstraße traf ich Kam Hu, und wir fuhren nebeneinander nach Hause. Kam Hu war auf dem Markt und hat Papaja gekauft. Als ich wenig später auf meiner Terasse sitze, höre ich, wie sie gegenüber unter ihrem Bambusdach steht und den Papajasalat zubereitet.
Noch ist es mir nicht zur Selbstverständlichkeit geworden, wenn ich auf meinen Wegen Menschen treffe, die ich kenne.
Wer weiß, eines Tages erkenne ich vielleicht jemand unter den Touristen wieder, den ich von früher kenne und der nicht weiß, dass ich seit 4 Jahren in Laos lebe.
 

Vientiane, Donnerstag den
11.  Mai 2000

Als Poh von den Hunden geweckt wurde, war es schon zu spät. Einer seiner Wasserbüffel war gestohlen.
Diese Tiere sind sehr gutmütig, auch wenn ich es mir am Anfang nicht so recht vorstellen konnte. So hat sich dieser Wasserbüffel einfach davon führen lassen. Langsam und gemächlich, wie seine Gangart ist.
Ein gutes zuverlässiges Arbeitstier, seit vielen Jahren schon, pflügt er die Felder der Familie von Kai Kham.
Am frühen Morgen machte sich Poh, mit seinem Sohn Seng auf die Suche, nach dem verschwundenen Tier. Sie fanden ihn, vor der Schlachterei, die 3 Kilometer von ihrem Haus entfernt ist. Der Büffel wäre der Nächste gewesen. Auf die Frage, wem dieser Büffel denn gehöre, bekamen sie keine Antwort. Es gibt keine Brandzeichen, oder Ohrmarken, nicht einmal Tätowierungen im Ohr.
Sie erklärten, das der Büffel ihnen gehörte und der Mann glaubte ihnen. Er hatte wohl Angst.
Vielleicht hätte er, von dem Mann der diesen Büffel gebracht hat, Geld bekommen, doch nun waren die Besitzer da und da redete er nicht lange herum. Ein kleiner Mann, der wußte, daß der Büffel nicht dem Mann gehörte, der ihn gebracht hat. Das Geld das Dieser ihm geboten hat, war wohl keinen Streit wert, und seine Arbeitsstelle schon gar nicht.
Poh und Seng konnten mit dem Büffel, über die Reisfelder, wieder nach Hause gehen. Glück gehabt. Sehr viel Glück.
Ein Wasserbüffel kostet soviel wie ein kleiner Traktor und das ist dieser Büffel, für diese Familie, ein Traktor, der zuverlässig die Reisfelder umpflügt. Genügsamer außerdem. Er braucht kein Benzin. Alles was er fressen muß findet er am Rand der Reisfelder, auf dem brachliegenden Land, daß die Familie nicht nutzt. Genug Futter und nach der Reisernte, gibt es so lange es nicht aufgefressen ist, daß Reisstroh. Einen ganzen Berg. Zweimal im Jahr. Das ist eine Besonderheit, denn nicht überall in Laos, kann der Reis zweimal gepflanzt werden. In weiten Gebieten ist der Reisanbau, abhängig von der Regenzeit.

Anmerkung: Poh bedeutet Vater. In Laos redet man ältere Menschen mit Poh (Vater) oder Maeh (Mutter) an.
Entsprechende Wörter gibt es für jüngere/ältere Schwester bzw. Bruder. Ganz alte Menschen werden mit Poh Tau bzw. Maeh Tau (Großvater, Großmutter) angeredet.
 

Vientiane, Samstag den
27.  Mai 2000

Kai Kham kommt breit lächelnd ins Haus und ich weiß schon, er hat mir eine sehr gute Neuigkeit zu berichten. Er läßt mich raten, weil er weiß das ich das gerne tue. Während ich rate fällt mir auf, wieviel es ist, was geschehen sein kann. Allein schon weil seine Familie so groß ist. Ohn könnte schwanger sein, aber nein, da würde er nicht so strahlen, denn ein weiteres Kind wäre finanziell nicht zu tragen. Immer noch ist sein Haus nicht fertig. Es gibt keine eigene Toilette und geduscht wird mit einer Schöpfkelle, das Wasser wird in der rostigen Tonne aufgefangen, in der vor langer Zeit einmal Benzin war. Der Wind drückt jetzt den Regen ins Haus und eine Plane ist keine Wand.
Sein Hahn hat ihm viel Geld, beim Kampf eingebracht, doch nein. Die verbotenen Kämpfe finden am Sonntag statt.
Seine Tante aus Amerika kommt. Aber nein, sie war erst im letzten Jahr in Laos. Mit ihrem Mann, der nach 15 Jahren, zum ersten Mal wieder in Laos war. Etwas schockiert, daß sich in diesen 15 Jahren nichts verändert habe. Sie kommt alle 2 Jahre.
„Tante aus Amerika, ist schon gut.“ und seine schwarzen Augen glitzern, wie eben poliert.
Ja, jetzt ist es leicht. Sie hat Geld geschickt.
„Ja. Ich war heute auf der Post. In meinem Postfach war ein Brief, mit einem Scheck. 1000 Dollar.“
Jetzt ist es rauß. Soviel.
Das Pro Kopf Einkommen, liegt bei 350 Dollar im Jahr. Laut  Statistik des Jahres 1998.
Laos ist ein Land mir drei Währungen. Der laotische Kip, der Thai Baht und der Dollar.  Im letzten Jahr gab es zum ersten Mal einige Verhaftungen, von Ladenbesitzern, die Baht oder Dollar, in Kip getauscht haben.
Jeder tauschte auf dem Schwarzmarkt. Die Ladenbesitzer sind auf die harten Währungen angewiesen, da die Meisten, der Konsumgüter aus Thailand kommen. Die offiziellen Bankkurse, waren absolut indiskutabel. Das hat sich zum Beginn dieses Jahres, völlig verändert. Die Talfahrt des Kip, scheint in einer Ebene angekommen zu sein.
Ein paar Zahlen, aus meinen Tagebüchern:  Bankkurs
{17. Mai 1996    1,00 DM/625 Kip}   {17. März 1997   1,00DM/603 Kip}
{24. Juni 1997     1,00DM/570 Kip}   {27. Juli 1997      1,00DM/638 Kip}
{17. Okt. 1997     1,00DM/792 Kip}   {30. Jan. 1998     1,00DM/1342 Kip}
{27. Feb. 1998     1,00DM/1283 Kip}  { 1. Sept. 1998    1,00DM/2055 Kip}
{30. Okt. 1998     1,00DM/2440 Kip}  { 1. April 1999    1,00DM/2955 Kip}
{ 3. Mai 1999      1,00DM/3554 Kip}   { 9. Aug. 1999    1,00DM/4942 Kip}
{30. Sept. 1999    1,00DM/3449 Kip}   {31. Jan. 2000    1,00DM/3986 Kip}
{ 1. März 2000    1,00DM/3997 Kip}    {28. April 2000  1,00DM/3520 Kip}
 

Vientiane, den 29. Mai 2000

Der alte Toyota-Pickup, rappelt und klappert über die felsige Straße. Mein Körper wird durchgeschüttelt und ich weiß jetzt wieder, was Federung bedeutet. Im Auto gibt es nur ein Radio und der Empfang, hier in den Bergen ist schlecht. Dennoch ziehe ich diese rauschenden Musikfetzen, dem lauten Scheppern vor.
Ich sehe die rote Wassermasse, auf der steilen Straße nach unten fließen. Kleine Steine springen und bleiben vor einem großen Stein liegen. Wenn der Regen zunimmt, werden sie weitergetragen, nur eine kurze Pause, eine Rast. Ich habe so eine Straße schon zum Fluß werden sehen, da heißt es abwarten, bis der Regen vorbei ist.
Doch heute regnet es nicht und im Auto ist es kühl. Bei den beiden neuen Autos, ist die Klimaanlage nicht genehmigt worden. Ein Bürokraten-Gedanke, entstanden irgendwo in Deutschland. Die Entwicklungshelfer träumen davon, diesen Bürokraten mal mitzunehmen, auf einer langen Fahrt, an einem ganz normal heißen Tag.
Langsam geht es durch die tiefen Löcher und ich komme mir wieder vor, wie damals auf dem Rücken des Elefanten, einem Trampelpfad folgend, trug er mich, von einer Seite zur anderen Seite schwankend, den Berg hinauf. Gerne würde ich so ein paar Tage lang reisen.
Am Straßenrand, dort wo der Busch anfängt, liegen Bambusrohre, einziges Zeichen, daß ich nicht am Ende der Welt bin. Ein Freund hat einmal von diesem Land gesagt, daß es unmöglich sei, einen Platz zu finden an dem man alleine ist. Jagen und sammeln, ein riesiges Netz von Pfaden, die von vielen Menschen in den Busch gestrichen wurden.
In einer Kurve, ein Mann und eine Frau, die Körper weit nach vorne gebeugt, tragen sie Bündel von jungen Bäumen. Die Hackstellen sind weiß und sehen wie frische Wunden aus.
Hinter der Kurve bleibe ich stehen und warte auf die Leute. Im Rückspiegel sehe ich ihnen entgegen, ihre Schritte sind langsam aber gleichmäßig, keine unnötige Bewegung. Als sie den Wagen stehen sehen, huscht etwas durch ihr Gesicht, Hoffnung, ein Lächeln, schwer in den alten Gesichtern zu lesen.
Erstaunt folgen sie meiner Einladung und steigen ein. So wie sie in den Polstern verschwinden, sehe ich ihnen an, das sie noch nicht oft in ihrem Leben, in einem Auto gesessen haben.
Ich würde sie gerne genauer betrachten und mit ihnen reden, aber es ist ihnen peinlich und sie wissen nicht wie sie sich verhalten sollen. Sie reden nicht miteinander, sitzen einfach nur da. Ich bin mir sicher das es Hmong sind und so alt wie sie sind, haben sie vielleicht kaum laotisch gelernt.
Das Feuerholz hüpft auf der Ladefläche hin und her.
Nach 6 Kilometern klopft der Mann an die Tür und sagt etwas, daß ich ahne, aber nicht verstehe. Wir sind da, ich halte an und steige aus, um ihnen die Tür zu öffnen, die sie nicht öffnen konnten.
Schon ist der alte Mann auf der Ladefläche und wirft die Bündel auf die Piste, seine dunkelbraunen Arme, sind sehr dünn, aber ich sehe die Adern dick werden und wie sich die Muskeln spannen.
Wir sind immer noch mitten im Busch, daß Einzige was wirklich erscheint, ist die Straße.  Ein Stück von uns entfernt, beginnt ein breiter Trampelpfad, der oft benutzt wird. Ihr Dorf kann nicht mehr sehr weit sein. Ich sehe weder Hühner, noch Rauch aufsteigen und ich höre kein Geräusch, nur die Geräusche der Beiden, die entstehen, als sich jeder sein schweres Bündel auf den Rücken lädt.
Hintereinander tief gebeugt unter der schweren Last, aufgesaugt vom grünen Bambus, jungen Bäumen und dichten Sträuchern, verschwinden sie nach wenigen Metern im Busch. Im letzten möglichen Moment, dreht die alte Frau sich um und für einen kurzen Augenblick, sehen wir uns zum ersten Mal in die Augen.
 

Vientiane, Freitag
den 02. Juni 2000

Am Sonntag explodierte im Morning Market (Dtalat Sau), eine Bombe. Wenige Stunden später, tauchten erste Berichte, in deutschen Zeitungen auf. Die Bombe explodierte im ersten Stock, des rechten Seitengebäudes. Es hieß, daß die Explosion einen Kilometer weit zu hören gewesen sei, dies konnte durch Befragungen von Anwohnern und Ladenbesitzern nicht bestätigt werden.
Die Bombe war unter einer Sitzbank, aus Beton versteckt. Weder die Fenster, nach die Glasvitrienen, der Goldverkäufer, wurden bei der Explosion beschädigt. In den thailändischen Nachrichten hieß es, das bei der Explosion 15 Menschen verletzt worden seien. Die Bombe wurde von Myanmarmesen, gelegt, eine Stellungnahme, gäbe es bisher nicht. Die Männer seien bereits verhaftet worden.
Einzige Verletzte, ist ein 2 jähriges Mädchen, die vor dem Laden ihrer Eltern, in der Nähe der Sitzgruppe spielte. Sie wurde am rechten Arm verletzt.
Die Polizei war am Sonntag Nachmittag, schnell zur Stelle und ließ, alle 4 Gebäude des Dtalat Sau räumen.
In den laotischen Nachrichten, wird der Vorfall bis heute nicht erwähnt, auch in der Pathet Lao Zeitung, war kein Wort über den Vorfall, der sich immerhin im Stadtzentrum ereignete, zu lesen.
Landesweit, die einzige Zeitung, in laotischer Sprache. Nang söh phim phasason, bedeutet in der Übersetzung:
Zeitung für alle Laoten. (Die drei Hauptvolksgruppen und aller Untergruppen)
Anders, bei der ersten Explosion, am 30. März. Ziel des Anschlags war ein Restaurant, in der Nähe des Nam Puh, ein großer Springbrunnen, der ein beliebter Treffpunkt ist. Das Restaurant wird gut besucht von Touristen. Die Bombe wurde von einem vorbei fahrenden Moped, über die Mauer geworfen. Einige Personen wurden schwer verletzt. Darüber wurde in der Vientiane Times, berichtet.
Das Restaurant hatte bereits am nächsten Tag wieder geöffnet.
Am 4 Mai, in den Abendstunden, wurde eine Fahrrad, auf dem Parkplatz, gegenüber des staatlichen Lang Xang Hotels abgestellt. An dem Fahrrad war eine Bombe angebracht. Es entstand Sachschaden, unter anderem an einem Fahrzeug, einer deutschen Familie, die beide als Entwicklungshelfer in Laos arbeiten. Die Polizei nahm den Schaden nicht auf, sondern forderte sie auf, den Ort des Geschehens unverzüglich zu verlassen.
Die laotische Regierung hat bisher keine Stellungnahme abgegeben.
 

Botschaft
Der Bundesrepublik Deutschland
Vientiane
Embassy
Of the Federal Republik of Germany

Reisehinweise des Auswärtigen Amtes

Demokratische Volksrepublik Laos
Sicherheitshinweise

Stand:August2000
Das Auswärtige Amt sieht keinen Anlaß, von Reisen nach Laos generell abzuraten. Die nachstehenden Sicherheitshinweise sollteb jedoch beachtet werden.

Flugbetrieb und Warung bei der einzigen Inlandflugverkehr operierenden Fluglinie “LAO AVIATION” entsprechen nicht den international gültigen Sicherheitsstandards. Vor der Benutzung noch im Einsatz befindlicher alter maschinen chinessischer und russischer herkunft (insbesondere Y12, Y7 und AN24) wird gewarnt. Auch die Benutzung der im nationalen und internationalen Flugbetrieb eingesetzten franzözischen ATR-Maschine kann, nachdem der Wartungsvertrag mir einer franzözischen Firma Ende April 2000 gekündigt wurde, nicht mehr empfohlen werden.

Bei der Benutzung der Landwege im nördlichen Landesteil, wo die Haupttouristenziele Luang Prabang und Ebene der Tonkrüge liegen, ist vorsicht geboten, da die Straßen teilweise durch unsichere Gebiete (insbesondere die Berregion zwischen Phoukhoun und Phoukout sowie die Distrikte Paxai und Muang Khoun in der Provinz Xiengkhouang) führen, in denen sich in den vergangenen Jahren mehrfacxh bewaffnete Ueberfälle ereignet haben, u.a. Ende Januar ein schwerer Angriff auf die Distrikthauptstadt Muang Khoun. Reisen zur Ebene der Tonkrüge sollten sich auf die ausgewiesenen Touristenziele beschränken und unter allen Umständen nur in Begleitung ortskundiger Reiseführer stattfinden.

Seit Ende März, zuletzt in der Nacht vom 09. auf den 10.09., kam es in Vientiane und anderen Orten wiederholt zu offensichtlich politisch motivierten Sprengstoffanschlägen. Es waren mehrer Todesfälle sowie Verletzungen und Sachschäden zu beklagen. Die laotische Regierung hat inzwischen eine Reihe zusätzlicher Schutzmaßnahmen ergriffen. Obwohl keine Hinweise darauf vorliegen, daß die Anschläge gegen Ausländer gerichtet sind, sollten Besucher sich dennoch darüber bewußt sein, daß weitere Anschläge nicht auszuschließen sind. Vorsicht, vor allem an belebten Orten im Innenstadtbereich von Vientiane, wird dringend geraten. Der letzte Sprengstoffanschlag traf ein Hotel, zuvor waren berreits das Hauptpostamt in Vientiane, der größte Markt und der zentrale Ueberland-Busbahnhof betroffen. Auch der Flughafen von Vientiane war Ziel eines Attentats, das von Sicherheitskräften vereitelt wurde.

Auf den Wasserwegen in laos verkehren Schnellboote (“Speed Boats”), die mit oft halsbrecherischer Geschwindigkeit Personentransporte durchführen. Es kam mit diesen Booten schon öfter zu Unfällen, teils mit tödlichem Ausgang.

Vor Erwerb, Besitz, Verteilung, Ein- und Ausfuhr von Rauschgiften wird gewarnt. Auch die Mitnahme (Transport von Gegenständen für Dritte ohne Kenntnis des Inhalts) kann verhängnisvolle Folgen haben. Schon der Besitz geringer Drogenmengen führt zu hohen Freiheitsstrafen. Die Strafverfahren entsprechen nicht unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen (jahrelange Untersuchungshaft, teure und unzureichende anwaltliche Vertretung, harte Haftbedingungen). Neuerdings gibt es Anzeichen, daß die laotischen Behörden die Strafverfolgung im Bereich der Rauschgiftkriminalität verschärft haben.

Zuständige deutsche Auslandsvertretung:

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (Satthantut Jellaman)
Sokpaluang Road 26
P.O. Box 314
Vientiane  (Laos P.D.R.)
 

Vientiane, Freitag
den 15. September 2000

Gerade wird es draußen dunkel. Die Wolken waren schon den ganzen Vormittag schmutzig braun, dazwischen gab es noch Fetzen blauen Himmels. Trotzdem wird es noch einige Stunden dauern, bis der Regen beginnt. Sicher wenn ich nach einem guten Essen, mit Freunden am Mekong sitze, heute abend, bei Bier Lao und den unglaublich breiten Mekong genieße, der mit einer Geschwindigkeit an uns vorbeifließen wird, die der Behäbigkeit seiner Breite widerspricht. So breit habe ich ihn noch nie gesehen. Die ganze untere Veranda der Sunset Bar ist verschwunden. In der Trockenzeit sah ich, die 6 Meter langen Stelzen sicher im trockenen Ufer stehen. Ob die Terasse wieder aufgebaut wird ist fraglich. Längst ist nicht mehr soviel los in der Sunset Bar. Das ganze Ufer ist inzwischen gesäumt mit Bambushütten, die auf Stelzen stehen und Reisstrohdächer haben. Alle gleich, nur die Musik macht unterschiede, manchmal nur in der Lautstärke. Als ich das letzt mal dort war, saßen dort zwei Touristen an einem Tisch, die ziemlich laut auf einen Laoten einredeten, den das aber eher zu belustigen schien. Unter dem Tisch standen gut 15 Flaschen Bier.
Einige Tische weiter, standen die Reste eines Mahles, von dem nur noch die Teller, abgenagte Knochen, leere Gläser und einige Papierservietten übrig geblieben waren, die bereits begonnen hatten, sich auf dem Boden zu verteilen.
An der Theke langweilten sich die jungen Laotinnen kichernd und ich konnte fast verstehen, daß sie keine Lust hatten, mich und meine Freunde zu bedienen.
Wir fanden eine andere Bar, zwei Hütten weiter. Die Terrasse war höher am Ufer und sie sieht in der Trockenzeit aus, wie ein Schwalbennest auf Stelzen. Dort saßen wir 20 Zentimeter über dem Wasser und der Halbmond spiegelte sich im Mekong. In der Nacht wird der Mekong schwarz, so wie alle Flüsse.
Dauerregen, seit vier Tagen schon, nur heute nicht. Ich dachte oft an den Mekong und wie gefährlich nahe er letzte Woche schon dem Ufer war.
 

Vientiane, Montag
den 18. September 2000

Eine kleine schwarze Katze ist nun gerettet und weiss es nicht. Samstagnacht brachte Kleo ihre drei Jungen, aus dem Dach, nach unten in die Garage. Ich war noch auf und hörte ihre kleinen Stimmchen, konnte sie aber nicht sehen. Erst am nächsten Morgen.
Zwei Schwarze und eine Siamkatze, die Farben stimmen genau.
Die meiste Zeit kauern sie unter dem zweiten Kühlschrank,in der Garage. Kommt man ihm zu nahe, kleines wehrhaftes  Fauchen, krumme Rücken und aufgeplusterte, kleine Schwänzchen, dass Zittern kommt erst wenn die Gefahr vorrüber ist. Sie sind einfach nicht an Menschen gewöhnt, 3 oder 4 Wochen unter dem Dach, selbst an das laute prasseln des Regens gewöhnt.
Die Hunde verhalten sich vorbildlich, doch das wissen die Kleinen nicht.
Ich weiss schon, dass sie sich gerne im Motorraum des Autos verstecken. Tatsächlich sassen sie sehr verschreckt, auf dem Motorblock, Zwei. Wo aber war die Dritte?
Sie war nicht zu finden, also musste sie noch im Motorraum sein. Schwarz ist eine sehr gute Tarnfarbe, die Kleine war nirgends zu entdecken und überhaupt, wieviele Verstecke es gibt unter so einer Motorhaube. Letzter Ausweg, ich rollte den grünen Wasserschlauch auf und zerrte ihn hinter mir her, in die Garage. Wasser marsch. Zufällig hielt ich den Schlauch über die richtige Region und die kleine schwarze Katze kam aus ihrem Versteck, noch ziemlich trocken. Schnell griff ich um ihren Bauch und sie ergab sich sofort, krallte sich nicht mal an einem der vielen Schläuche fest.
Kleo sass  unbeteiligt neben dem Kühlschrank. Ich liess die Kleine runter und sofort verschwand sie unter dem Kühlschrank, zu ihren Geschwistern.
Dieses Ritual wird sich so, oder so ähnlich, immer dann wiederholen, wenn ich mit dem Auto wegfahren will. Manchmal werden vier Leute vor dem Auto knien und katzenähnliche Geräusche von sich geben. Ein seltsamer Anblick vom Dorf aus.
 

Vientiane, Mittwoch den
20. September 2000

Gestern Nacht hat Kai Kham sei Fahrrad wie immer neben der kleinen Bambushütte abgestellt. Die Hütte ist aus den Resten des Ziegenstalls gebaut worden und dient jetzt als Küche. In ihm befindet sich der Toneimer, der von unten befeuert wird. Es ist sehr eng in der kleinen Hütte und nur noch ein Schrank findet darin Platz. Hier wird der Klebreis gedämpft, Kau niau, das Grundnahrungsmittel. Morgens, mittags und abends wird der Kau niau gegessen. Meist wird er am frühen Morgen zubereitet und dann kalt, zu dem gegessen was man gerade hat. Am Ende des Monats reicht es oft nur noch für Enteneier. Gut drei Monate haben Kai Khams Enten kaum noch Eier gelegt. Wenn die Enten neue Federn bekommen, legen sie keine Eier.
Das Fahrrad hat eine halbe Million Kip gekostet, fast ein ganzer Monatslohn. Dänn, Kai Khams Schwester, hat bei einem Freund Geld geliehen und Morgen fährt Kai zum Morning Market und kauft ein neues Fahrrad. Sein drittes Fahrrad. Einmal hat er sich ein Rennrad gekauft, es war schon sehr alt, aber dennoch teuer. In der Regenzeit konnte er das Fahrrad, in seiner Straße nicht fahren, wegen der dünnen Reifen. Die Straße ist auch jetzt noch eine Schlammpiste. Der Lastwagen, der zwei Mal in der Woche die Rollen abholt, aus denen Toiletten-Papierrollen geschnitten werden, hat tiefe Spuren in die Straße gegraben.
Einmal im Monat wird das braune Papier in großen Bögen geliefert, die Frauen und Kinder kleistern die Bögen ein und rollen sie dann. Am Maschendrahtzaun stehen sie, aufgerichtet zum Trocknen. Viele Familien in Kai Khams Dorf verdienen sich so ein wenig Geld dazu. Eine große Halle gibt es, in der ein paar junge Frauen arbeiten, sie stehen an großen Tischen und aus der Halle kommt laute Musik.
Hier werden die meisten Bögen gerollt. Die Familien im Dorf arbeiten nur zu.
Einmal stand ich genau vor der Halle und wartete auf Kai Kham, die Straße war zu zweit auf dem Moped nicht befahrbar und so war ich vorgefahren. Ein kleines Mädchen kam und nahm sich von den gestapelten braunen Blättern einen Bogen und verschwand, bald darauf kam noch ein Junge, nahm einen großen Bogen und auch er verschwand. Ich fragte mich, ob sie wohl ihre Hausaufgaben auf dem braunen Papier machen?
 

Vientiane, Mittwoch
den 27. September 2000

Eine Behörde zu betreten ist immer etwas besonderes.
Kai Kham hat heute einen neuen Pass beantragt. Ein kleines blaues Buch, das ihn berechtigt nach Thailand zu fahren, jedoch nur bis ins 80 Kilometer entfernte Udon Thani, weiter darf er nicht fahren. Dazu benötigt er einen anderen Ausweis den nur das Außenministerium ausstellen kann.
Schon im Treppenhaus ist der Schalter an dem er ein Antragsformular kauft. Auf dem Schreibtisch der Beamtin ist eine halbhohe Glasscheibe befestigt. Ganze Stapel neuer und alter Ausweise sind mit Gummibändern gebündelt.
Neben ihrem Schreibtisch steht eine alte Frau, ihre zerschliessene Handtasche hängt ihr wie ein vergessener Gegenstand am Arm. In ihrer Hand hält sie ein Bündel Formulare.  Zaghaft versucht sie die Aufmerksamkeit der Beamtin zu erregen, sie würde gerne etwas fragen. Doch dann geht sie mit ihrem Bündel in der Hand wieder weg und schaut ratlos zu den Türen, die überall offenstehen.  Keines der Büros hat einen Ventilator. Einzig im Treppenhaus, in dem sich der Schalter befindet herrscht ein wenig Durchzug.
Neben der Treppe steht ein freier Schreibtisch, er versperrt zwei Holztüren, hinter denen sich nur kleine Räume befinden können. Kai Kham breitet sein Formular auf dem Schreibtisch aus und beginnt es auszufüllen, immer wieder muß er sich nach links oder rechts drehen, da sich Leute an ihm vorbei, in die Büros drängen.
Ich nutze die Zeit und sehe mich um. Die Beamten und ich tuen so, als sei meine Anwesenheit hier ganz normal.
Unter einer der Türen schaut ein blauer Ausweis hervor. Ich stelle mir vor, daß sich ganze Berge hinter der Tür befinden und langsam ins Vergessen sinken. Wehe dem, der den Schreibtisch wegrückt, das schwere Schloß öffnet und den Riegel zur Seite schiebt, eine ganze Flut Ausweise wird sich über ihn ergießen, doch das hat wohl niemand vor und allein mir macht die Vorstellung Freude.
Kai Kham ist sehr ernst dabei das Formular langsam und sehr gewissenhaft auszufüllen. Ich will ihn nicht stören. Direkt hinter ihm befindet sich ein schmaler, grauer Aktenschrank, auf dem eine dicke braune Staubschicht liegt. Neben dem Schrank sind gut 15 Reissäcke, bis zu den grauen Fensterläden, gestapelt. Die meisten Säcke sind bis zum Bersten mit blauen Ausweisen vollgestopft. In den Unteren befinden sich gebündelte Akten.
Dahinter ist ein Büro, auf dem Schreibtisch liegt eine große aufgeschlagene Kladde, die mit einer senkrechten Reihe Passbilder vollgeklebt ist, neben jedem Bild befindet sich ein handschriftlicher Eintrag. In einer solchen Kladde wird auch bald ein Foto von Kai Kham kleben.
Einen Moment steht er unschlüssig mit dem fertigen Formular in der Hand da, dann fragt er die Frau hinter dem Schalter, ob er das Formular bei ihr abgeben kann.
Hinter ihr sitzt eine andere Frau, deren Schreibtisch auf ein Fenster zum Hof hinaus geht. Sie sagt ihm, das er das Formular bei ihr abgeben kann. Wir verlassen das Gebäude und stellen uns ans Fenster. Die grauen Läden sind geöffnet und durch die Öffnung der Glasscheibe, die den Rahmen nur zur Hälfte ausfüllt, nimmt sie den Ausweis von Kai Kham entgegen. Kurz ist der Blick den sie auf Fotos und Antragsformular wirft. Sie öffnet die mittlere Schublade und wirft den Ausweis achtlos hinein, am 3. Oktober sei er fertig.
Das wars.
 

Vientiane, Freitag
den 6. Oktober 2000

Die Überschwemmungen haben vor allem im Süden von Laos viele Farmer ihrer Ernte und viele Familien ihres Hauses beraubt, manchen geschah gar Beides.
Die Zahlen sind hoch und die Fotos die einige Entwicklungshelfer mitgebracht haben, offenbaren den großen Schaden.
In Thakek, eine Stadt im Süden von Laos liegt die Überschwemmungsgrenze bei 13,5 Metern, längst hat der Mekong diese Marke überschritten und bewegt sich langsam, alles überflutend auf einem Level von 14,32 Metern. Das schlimmste Hochwasser seit 1978.
48.724 ha Farmland wurden überflutet, das gab das Ministerium für Landwirtschaft Ende September bekannt. Am schlimmsten hat es die Provinz Khammuan getroffen, dort sind 45 % der Reisfelder unter Wasser.
Offiziellen Zahlen zu folge sind 18.423 Familien betroffen. Das Internationale Rote Kreuz hat 500.000 US$ für Hilfsmaßnahmen zur Verfügung gestellt.
Laos ist ein Land der vielen Flüsse. Alten Plänen zur Folge sollte Laos einmal die Batterie Asiens werden. Unzählige Wasserkraftwerke waren geplant und liegen noch irgendwo in Schubladen..
Es kommt mir seltsam vor, mit diesen Bildern und Zahlen im Kopf durch Vientiane zu gehen. In der Hauptstadt ist von all dem nichts zu spüren. Der Mekong schlängelt sich an der Hauptstadt vorbei, sehr breit und wie es auf den ersten Blick scheint, sehr träge. Doch dieser Eindruck trügt, sobald ein Baumstamm in der Mitte des Flusses schwimmt, entschwindet er sehr schnell dem Blick.
Mekong bedeutet Mutter aller Wasser.
 

Vientiane, Donnerstag
den 19. Oktober 2000

Ich habe in meinem Tagebuch vom letzten Jahr geblättert und dabei einen Brief gefunden, den ich schon lange gesucht habe:

Vientiane, den 28. September 1999
Genau genommen schreibe ich diesen Brief schon seit dem 7. September 1999.
Der 7. September war ein Dienstag und für Ohn und Kai Kham ein sehr glücklicher Tag. An diesem Dienstag wurde nämlich ihr Sohn Kevin geboren. Sein laotischer Name bedeutet „Gold Hase“.
Ohn hat Kevin um 17 Uhr 5 geboren. Um 19 Uhr kam Seng, Kai Khams Bruder und überbrachte die freudige Nachricht. Ich habe mich sofort auf mein Moped gesetzt und bin zu Kai Kham nach Hause gefahren. Ohn sah etwas erschöpft aus, aber auch glücklich. Kai Kham strahlte ganz deutlich war ihm anzusehen, wie glücklich er ist. Er hatte sich einen Sohn gewünscht.
Drei Wochen vorher hat Ohn von einer Tochter geträumt und Kai Kham träumte in der selben Nacht von einem Sohn. Ich habe an Beide einen Kasten Bier verloren, denn ich glaubte auch es würde eine Tochter.
Ohn ist nicht ins Krankenhaus gefahren. Die Wehen gingen gegen 8 Uhr los und ihre Schwägerin Dähn war zu Hause. Dähn ist Krankenschwester. So blieb Ohn die schreckliche Straße erspart, ich habe sie schon lange wegen dieser Fahrt über die unzähligen Löcher und Wellen bedauert. Was ich aber am Schönsten daran finde, daß Kai Kham bei der Geburt dabei sein konnte, das wäre im Krankenhaus nicht möglich gewesen. Auch Ohns Vater war bei der Geburt dabei. Ich merkte wie sehr Vater und Tochter miteinander verbunden sind, nun ist dieses Band noch dichter geworden. Kai Kham stützte ihren Rücken auf der einen, sein Schwiegervater auf der anderen Seite. So waren Großvater und Vater bei der Ankunft des neuen Erdenbürgers dabei.
Vor dem Schlafzimmer hielten sich Kai Khams und Ohns Mutter bereit, um schnell die Dinge herbei zu holen, die man ihnen zurief.  Dähn schnitt die Nabelschnur mit einer Schere durch. Kai Kham trug die Nachgeburt hinaus zu den Reisfeldern und vergrub sie Nahe des großen Baumes, der dort mitten im Reis, ganz alleine steht.
Alle waren sehr glücklich als ich ankam. Jeder konnte etwas helfen. Ich glaube Kevin wird Kai Khams Nase haben.
Ohn ist inzwischen aus dem gemeinsamen Bett umgebettet worden, auf ein Bettgestell im großen Wohnraum. Ein Tag nach der Geburt wurde ein Feuer unter Ohns Bett gemacht, die Kohlen glühen. Sie schläft im Wohnraum, in dem immer Leute sind, 24 Stunden am Tag. Es ist ganz wichtig das Leute in der Nacht da sind, und nicht schlafen. Um den Schlaf zu vertreiben, spielen sie Karten, jede Nacht. Man wechselt sich ab. Ich habe auch eine Nacht so verbracht, wenn ich auch keine Karten gespielt habe, so war ich doch ein Teil dieser Wache.
Alle waren in dem großen Wohnraum, dessen Wände noch nicht rings herum fertig gebaut sind, eine blauweiß gestreifte Plastikplane ersetzt die Wand.
Ich habe Ohn anfangs etwas bedauert, weil sie keine Ruhe bekommt und sie nie allein ist. Dann wurde mir aber klar, daß sie es wohl seltsam finden würde, wenn sie mal alleine wäre, sicher hätte sie dann Angst, daß die Geister schon um das Haus schleichen um ihr ihren Sohn zu nehmen. Viele Familien leben noch nach den alten Traditionen und ein Kind bekommt erst nach drei bis vier Jahren seinen wirklichen Namen. Bis dahin wird es mit Namen wie Schwein oder Hund gerufen, damit die Geister gar nicht erst durch einen schönen Namen auf das Kind aufmerksam werden und seine Seele stehlen, denn es kommt vor, daß ein Kind ohne Seele in seinem Körper weiterlebt, selbst ein halber Geist. Wenn die Geister ein Kind holen, dann stirbt es plötzlich.
Diese Tradition haben Kai Kham und Ohn gebrochen, sie gaben Kevin schon seinen Namen, ich glaube das sie nun doch Angst beschleicht, bei dem kleinsten Laut ist Kai Kham an Ohns Bett und leise besprechen die Beiden sich. Einmal bringt Kai Kham einen kleinen Eimer an ihr Bett, Ohn schaut sich müde um, aber niemand schaut zurück und lautlos erleichtert sie ihre Blase. Kai Kham trägt den Eimer an uns Allen vorbei, nach draußen. Die nächsten 3 bis 4 Wochen darf Ohn das Bett nicht verlassen.
Nachts riechen die Geister das Blut, von einer Frau die gerade geboren hat und wollen zu ihr, das verhindern aber die Menschen die auf sie aufpassen.
Normalerweise dauert diese Zeremonie, mit Feuer und Wachen, 4 Wochen, aber sie haben nach einein halb Wochen aufgehört.
Ein Sack Kohle kostet 35.000 Kip und reicht immer nur für drei Tage. Auch müssen die vielen Besucher etwas zu trinken bekommen. Kai Kham ist traurig, daß er nur wenig Essen anbieten kann. Während den langen Nächte wurde Lao Lao getrunken, der von vielen Familien selbst gebrannte Reisschnaps. Zwar bekamen Ohn und Kai Kham etwas von den Gewinnen der Kartenspiele ab, auch das ist Tradition, aber da ihre Gäste selbst nicht viel Geld hatten, wurde mit niedrigem Einsatz gespielt.

Heute ist Kevin auf den Tag 3 Wochen alt und es geht Mutter und Kind gut.
 

Vientiane, Mittwoch
den 25. Oktober 2000

Donnerstag, 19. Oktober gegen 11 Uhr 40, das kleinste Flugzeug der Lao Aviation, befindet sich im Landeanflug, Xam-Nua heißt der Zielflughafen. Die Wetterverhältnisse sind denkbar schlecht, Nebel. Der Pilot fliegt auf Sicht. Wichtige Orientierungspunkte sind der Fluss Nam Xam und eine Strasse.
17 Fluggäste finden in der kleinen Propellermaschine Platz. Geeignet für die kleinsten Flughäfen im Norden von Laos.
Es ist viel die Rede von diesem Ort und dieser Maschine.
Die Maschine stürzt ab.
Am nächsten Tag ist ein Angehöriger der deutschen Botschaft am Flughafen in Vientiane um die Leiche eines Mannes zu identifizieren. Er ist nicht der Einzige der am Flughafen auf die Ankunft der Verunglückten wartet..
8 Menschen kamen bei dem Absturz ums Leben, bis heute schwebt ein Weiterer in Lebensgefahr. Es heißt das die Passagiere die ums Leben kamen, im hinteren Teil der Maschine saßen. Der Pilot brach sich ein Bein und steht der Untersuchungskommission zur Verfügung.
 

Vientiane, Dienstag den
7. November 2000

Laos, klein auf dem Erdenball, aber groß in seiner inneren Unerreichbarkeit. Nach dem Flugverbot das viele Organisationen ausgesprochen haben um so mehr. Selbst die Nacht wird zu einer Insel, die Ausgangssperre theoretisch gibt es sie seit Jahren. Nächtliche Verkehrskontrollen, ein deutscher Polizist trägt auch eine Waffe, niemand der sich jetzt noch darüber aufregt. Hier ist man auf die Vergangenheit angewiesen, einer Vergangenheit aus der die Waffen kommen, nicht klein und handlich, präsent.
Kein Grund zur Unruhe es ist möglich zu lächeln.
Ein vorübergehender Zustand, einmal vorbei wird er schnell vergessen wie alles was in die Vergangenheit fällt. Einzig ein paar Touristen werden zu Hause hartnäckig über die schwer bewaffneten Strassenkontrollen berichten und wie man gezittert habe und wie unfreundlich das Militär gewesen sei.
Wie kurz vor Ausbruch eines Krieges sei es gewesen, stillschweigend bedauernd, nicht tatsächlich kurz vor einem Krieg dieses Land bereist zu haben.
Ausgangssperre, daß hört sich schon gut an, man nehme noch ein wenig übertriebene Bilder und überhaupt: Alles ein bisschen größer.
Man stößt miteinander an und angenehme Schauer rieseln den Freundesrücken herab:
„Ja da hätte ich auch Angst gehabt.“ und wirklich eine Stunde oder so bedauert er ehrlich, daß er nicht dabei gewesen ist, der Freund.
„Laos muß ein sehr aufregendes Land sein.“ Der Reisende lehnt sich ganz entspannt zurück und spürt dieses wohlige Gefühl, daß er immer dann bekommt, wenn die Flug- und Reisekosten in Relation stehen zu dem Neid seiner Freunde.  Das diese Momente so flüchtig sind das sagt er natürlich nicht. Eigentlich ist man doch ganz froh in dieser bekannten Kneipe zu sitzen und halbwahre oder ganz unwahre Abenteuer zu erfinden.
 

Vientiane, Mittwoch den
8. November 2000

Meist ist es ein einzelner Palmwedel der vertrocknet und schlaff an der Kokospalme hängt. Irgendwann fällt er rauschend vom Stamm, schon am Boden federt er noch zwei drei Mal nach und bleibt dann reglos liegen, von Groß auf erstaunlich Groß angewachsen.
Hinter dem Haus ist es ein ganzer Kranz von abgenabelten Palmblättern, jedes wie eine riesige Feder,  die die  erste Schicht der Palmenkrone bilden. Eine vergängliche Zier die immer wieder neu entsteht.
Jeder abgestorbene Kranz hinterlässt eine deutliche Spur am Stamm. Ganze Generationen von Palmgefieder lassen sich zählen, die den Stamm stetig in die Höhe trieben.
Auf den Kranz folgt ein Kranz grüner und brauner Kokosnüsse.
Immer bin ich angespannt wenn der Mann dieses Wehr überwindet, voll Sorge und dennoch dieser Zwang der mich daran hindert ins Haus zu gehen.
Wenn der Mann mit seinem langen Messer ausholt und die ersten Kerben im starken Stiel zurückbleiben, löst sich meine Anspannung.
Erst dann gehe ich ins Haus und rufe die Hunde zu mir, gehorsam lassen sie sich neben meinen Stuhl fallen und schließen ergeben die Augen.
Ich genieße die Vorstellung das der Boden bebt, wenn sechs oder sieben Kokosnüsse gleichzeitig aus der Höhe stürzen.
Sun Pan wird mich fragen wieviele ich behalten möchte. Die Zählung gewissenhaft überwachen und selbst zählen. Ich hoffe sie wird nicht ganz so oft von Vorne anfangen müssen wie beim letzten Mal. Die Meisten werden wir an den Mann verkaufen, vor acht Monaten waren es 64 Kokosnüsse.
Sun Pan wird den Preis aushandeln, ich werde sicher wieder das Gefühl haben, sie zieht den armen Mann aus.
Ich erinnere mich daran wie er mit seinem Holzkarren aus dem Tor schob, schwer und vollbeladen. Ein zufriedener Ausdruck nahm Platz in seinem Gesicht. Nur zum Spaß dachte ich: „Sei froh das Sun Pan das nicht gesehen hat.“.
Ich glaube so, oder so ähnlich wird es diesmal wieder sein, wenn der Mann kommt um die Kokosnüsse zu ernten.
 

Vientiane Freitag den
9.  November 2000

An der Straße habe ich mir Laab und Kau Njau gekauft. Das Essen wurde am Vormittag gekocht, ich habe Glück und der Kau Njau ist noch warm, daß Laab mache ich mir zu Hause in der Pfanne noch einmal warm, dabei verliert das Fleisch leider etwas an Geschmack. Laab, mit einem grossen Messer, fein gehacktes Fleisch,  mit minzigen grünen Blättern, Sojasprossen und kleinen roten Chilis, auch in Streifen geschnittener Pansen. Den Pansen suche ich raus, ich kriege ihn nicht runter, die Vorstellung ist zu tief verankert. Man sieht ihm auch an, daß er Teil des Magens ist, die Zotten die mit ihren wellenförmigen Bewegungen die Nahrung mit Verdauungssäften mischte. Wirklich kein schöner Gedanke.
Mit meinem Kau Njau Körbchen, dem Laab und den Salatblättern flegel ich mich aufs Sofa.
Kam La spritzt draußen die Bäume mit Wasser ab, vor allem die Mangobäume, lange Termitenstraßen winden sich die Stämme hinauf und verschwinden irgendwo hoch oben im Blattwerk. Unverkennbar, die Regenzeit ist damit vorbei.
Meine Finger nehmen den Klebreis aus dem Körbchen und formen den Reis zu kleinen Tellerchen mit deren Hilfe ich das Laab aus der Schüssel angel. Ab und zu schiebe ich ein Salatblatt, ohne Dressing, nur ein paar Wassertropfen, hinterher und denke jedes Mal an ein Kaninchen.
 

Vientiane, Samstag den
18. November 2000

Ich habe heute soviel Zeit zum Stöbern, längst wühle ich nicht mehr in Schubladen, sondern auf Festplatten, Disketten und noch nicht, auf CDs.
Briefe an Freunde, Gedichte, Ideen, angefangene Projekte und 42 Seiten laotisches Tagebuch.
Ein Reichtum der Ich ist.
 

Vientiane, Mittwoch
den 22. November 2000

Gestern abend habe ich einen kleinen Spaziergang zum Tempel gemacht. Ich hatte gehofft den Novizen Bandied wieder zu treffen und war enttäuscht, als ich ihn nicht antraf. Ein paar kleine Kinder waren mir gefolgt und beobachteten mich aus einiger Entfernung. Ein mutiger kleiner Junge rief mir: „Hello, good morning.“, zu.
Ich drehte mich um und lachte sie an. „How are you?“ fragte ich in die kleine Gruppe hinein, erneutes Lachen und gegenseitiges anstupsen waren die Folge.
Ich betrachtete den Buddha, dessen Entstehung ich immer wieder verfolgt hatte. Unter seinem Baldachin, schaut er lächelnd auf die große Straße, die er nicht sieht. Als er gerade fertig war, noch ganz in beton-grau, hatte er schon diesen besonderen Blick und er war perfekter, als die Buddhas die Außerhalb gebaut werden, bei denen mich die falschen Proportionen berühren.
Doch dieser Buddha hier, hat trotz der perfekten Proportionen etwas besonderes, dieser Blick und die Phasen seines Entstehens, die ich nicht vergessen werde. Ich kenne selbst sein Stahlgerüst und die Lagen der rot gebrannten Ziegel, die jetzt ganz verschwunden sind unter der goldenen Farbe und der großen Lotusblüte, auf der er thront.
Die Kinder sind verschwunden, es war ihnen wohl zu langweilig mit mir.
Nun ist es Zeit für die Mönche den Singsang der abendlichen Gebete zu beginnen. Bandied treffe ich heute nicht mehr, Bor phen njang, macht nichts.
 

Vientiane, Mittwoch
den 29. November 2000

Heute Morgen bot sich mir völlig überraschend ein Einblick in das Leben der schwarzen Ameisen - durch ein Loch in meinem Waschbecken.
Das Loch gab meinen Blick frei auf reisförmige weiße Eier, die da fast zärtlich an den Rand der Keramik geschmiegt lagen. Ich traute meinen Augen nicht zu die Geschwindigkeit richtig einzuschätzen in der die Eier, Eines nach dem Anderen verschwanden. Jede schwarze Ameisen nahm ein Ei behutsam auf mit den kräftigen Zangen und schon waren sie verschwunden. Ungläubig starrte ich durch das Loch, das mein Deostift ins Waschbecken schlug, an der Stelle an der schon immer dieser große Sprung war in den einige kleinere Sprünge laufen.
Ich bin gespannt welcher Anblick sich mir bietet, wenn das Waschbecken abgeschraubt wird, das zu Hause einer Kolonie. Sie gehen nie sehr weit weg von dort wo sie aufgescheucht wurden.
 

Vientiane Sonntag,
den 3. Dezember 2000

In Udon Thani, Thailand wird schon alles auf Weihnachten vorbereitet. In der Obst- und Gemüseabteilung standen  fünf junge Angestellte und falteten Schleifen, aus grünem Krepp, bedruckt mit Weihnachtsglöckchen. Erste Tannenbäume aus Plastik stehen schon fertig geschmückt in den weiten Hallen des Kaufhauses. Gibt es Weihnachtslieder in Thai?
Oder werde ich bei meinem nächsten Großeinkauf "Jingel Bells" aus den Lautsprechern hören?
In Laos ist von Weihnachten nichts zu spüren, was nicht wundert, bei dem geringen Anteil an Christen, in der Bevölkerung. Laos ist ein Buddhistisches Land und so hat mich die Vorweihnachtszeit bisher nicht erreicht.
Schnee einzig in E-Mails von Freunden und bleibt sehr fern.
Mein fünfter Winter in Laos. Kokospalmen, Mangobäume, Citrusfrucht und Litchi in meinem Garten, nicht zu vergessen die zwei Jakfruchtbäume, die mich immer mit den großen Früchten überraschen, die aus dem Stamm heraus wachsen. Keine Tanne weit und breit. Große Kiefern am Phou Khao Khouay, dem Büffelberg, 80 Kilometer in der Provinz Vientiane. Wie kleine kräftige Grasbüschel sehen die ganz jungen Bäume aus, das ist es was ich ein kräftiges Grün nenne. Mit dem Moped war ich vor ein paar Tagen oben, auf halbem Weg wurde mir eine tiefe Lkw Spur fast zum Verhängnis, freilich nur für kurze Zeit, wenn ich es nicht selbst geschafft hätte. Auch wenn ich auf meinem steilen Weg nach oben, keine Menschen getroffen habe, so legten die gebündelten Bambusstangen am Rand der Piste, doch beredetes Zeugnis von ihrer Anwesenheit im Busch ab. Wieder einmal nahm ich mir vor, bei meiner nächsten Fahrt einem der vielen fußbreiten Pfade zu folgen, die in den Busch führen, zu einem Dorf, oder einfach nur zu einer Stelle an dem Bambus geschlagen wurde, ein Loch im Grün. Viele dieser Pfade führen ins Nichts.
Hätte ich mein Moped nicht allein aus der Fahrrinne bekommen, so hätte ich mich einfach daneben gesetzt und auf helfende Menschen gewartet. Wasser habe ich auf solchen Touren immer dabei und in der Hitze weiß ich von der Köstlichkeit und der Notwendigkeit einer Flasche Wasser zu erzählen.
Am Wasserfall angekommen, möchte ich mich am Liebsten hinein begeben und verschmelzen, mit dem kühlen Nass. Bis zu den Knien gehe ich ins Wasser, meine Wanderschuhe müssen das einfach abkönnen und in der Sonne werden sie schnell wieder trocken, auch meine Jeans.
Wie oft habe ich Laoten am Wasser beobachtet und ihre Selbstverständlichkeit gelernt, auch ich war schon völlig bekleidet im Wasser, doch dazu ist es jetzt nicht heiß genug. Im April oder Mai ist man schnell getrocknet.
Hier an dieser Stelle sah ich einem Mann zu, der sein langes Messer schliff und freundlich mit mir redete. Der Widerspruch der darin lag, ließ mich innerlich lächeln. Das ist schon lange her, aber Bilder kommen wieder, wenn man ihre Orte besucht.
Beim nächsten Mal werde ich wohl den großen schwarzen Vogel wiedersehen, der lange auf dem Felsen saß und schon nach kurzer Zeit keine Notiz mehr von mir nahm. Ich hatte keine Gewehr, ob er das wußte?
 

Vientiane, Freitag den
29. Dezember 20000

Der Tag hat braune Augen
und schwarzes Haar.
Im Garten wächst ein Haus aus Holz,
der Fussboden dunkel grüner Bambus,
festgenagelte Stangen,
hohl bis zum nächsten Glied.
Der Duft von frischem Reisstroh
weht herab vom Dach
und ich auf dem Fussboden,
bequem,
kitzelt die Sonne meinen dicken Zeh,
der neugierig zur Tür heraushängt.

Da kommen die Männer mit den Sägen zurück,
einer ist Kai Kham.
 

Vientiane, Samstag
den 30. Dezember 2000

Mein laotisches Haus im Garten ist fast fertig. Kai Kham und sein Freund Duj sind seit fünf Tagen mit dem Bau beschäftigt. Holz ist sehr teuer geworden. Jeder der vier Balken für das Hauptgerüst hat 100.000 Kip gekostet. Soviel verdient ein Angestellter des Staates, in einem Monat. Vier Monate hätte er also nicht essen und nicht leben dürfen.
Die Stelzen sind nur einen halben Meter lang, dann kommt schon der Fußboden, aus grünen Bambusrohren. Mein Bambushain wurde um zwei Bambusstangen gelichtet. Der Bambus den wir gekauft hatten, am Mekong, reichte nicht aus. Der Bambus in meinem Garten ist gelb, mit grünen Streifen und so wurde der Fußboden zweifarbig.
Heute haben Kai Kham und Duj, die Reisstrohmatten auf das Dachgerippe gebracht. Einzugsfertig, sieht mein kleines Haus jetzt aus. Das Dach wird auch dem heftigsten Regen in der Regenzeit standhalten. Ich würde es nicht glauben, hätte ich nicht schon in so einer Hütte, bei heftigem Regen gesessen.
Jetzt wird es Zeit die Stelzen vor den Termiten zu schützen, es ist ihre Zeit.
Den großen Mangobaum, der direkt neben dem Haus steht, habe ich gestern mit dem Wasserschlauch abgespritzt und schlammiges Wasser, lief den Stamm herab. Weit in die Krone führte die erdige Termitenstraße schon hinauf.
Zwei Jahre werden meinem Haus nicht viel anhaben können, egal wie sehr die Termiten sich auch bemühen mögen, sie werden keinen Schaden anrichten, ja und Kai Kham möchte das Haus  haben, wenn ich gehe, über diese Dinge brauchen wir nicht zu sprechen.
Duj habe ich noch nicht nach seinem Namen gefragt. Duj, bedeutet dick und er ist für einen laotischen Mann, dick. Kai Kham nennt ihn so, schon lange, auch er weiß seinen Namen nicht.
Alle nennen Duj, einfach Duj. So wie ich jedes Mädchen, in einer Suppenküche Nong rufe, wenn ich bezahlen möchte, oder noch etwas trinken möchte. Nong bedeutet kleine Schwester, oder kleiner Bruder.
Kai Kham ruft seine jüngeren Brüder auch Nong und immer reagiert der Gemeinte auf den Ruf.
Ich möchte gerne Duj's Namen wissen.
Kai Kham bedeutet goldenes Huhn und müßte eigentlich etwas sanfter betont werden, Gei Kham.
Manch ein Name kommt aus dem Pali, die Sprache der Gebete und oft wissen nur die Mönche, was ein Name bedeutet. Kai Khams Name ist nicht Pali.
Seine Eltern verstehen ein weinig die Gebete der Mönche. Mehr als Kai Kham versteht. Vor allem seine Mutter.
Sie kennt auch viele der Legenden. Kai Kham erinnert sich an Manche, die sie ihm in seiner Kindheit erzählt hat.
Eine Legende hat er mir zu meinem Geburtstag geschenkt, weil er mir nichts kaufen könne und ich lauschte seiner Geschichte, wie ich kein Geschenk hätte auspacken können. Das war vor zwei Jahren, ich habe diese Geschichte aufgeschrieben und ich erinnere mich noch sehr genau an dieses besondere Geschenk.
Jetzt ist es dieses Haus, daß er baut, zu diesem fremden Fest, daß da Weihanchten heißt.
 

Vientiane, Sonntag
den 31. Dezember 2000

Die vielen Gleichzeitigkeiten auf der Welt.
Während ich hinter dem Haus, im warmen Strahl der Sonne stehe und den fröhlichen Auf und Abflug eines weißen Schmetterlings betrachte, schält sich in Berlin vielleicht gerade jemand aus dem Bett und wappnet sich in Gedanken gegen die Kälte und dreht die Heizung höher.
Sechs Stunden werde ich eher im neuen Jahr ankommen, als dieser eine Mensch, dem meine theoretische Betrachtung in diesem Augenblick gilt.

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